Unter Bauern

Ein Leben am Rande der Deportation

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Marga Spiegel, geborene Rothschild und Tante des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, hat ihre dramatische Überlebensgeschichte in Westfalen niedergeschrieben, die bereits 1969 als Buch veröffentlicht wurde. Nun hat Ludi Boeken diesen bewegenden Überlebenskampf mit Veronica Ferres in der Hauptrolle verfilmt und bekam dafür in Locarno bereits vielfältigen Beifall.
1943, auf dem Land in der Nähe von Münster. Der jüdische Pferdehändler Siegmund "Menne" Spiegel (Armin Rohde), seine Frau Marga (Veronica Ferres) und die gemeinsame Tochter Karin (Louisa Mix) müssen untertauchen, sonst droht ihnen die Deportation in den Osten. Was das zu bedeuten hätte, steht ihnen deutlich vor Augen, so dass sie in einer Nacht- und Nebelaktion den braunen Häschern entfliehen. Gemeinsam geht das aber nicht, das wäre zu unsicher. Während sich Marga und Karin unter falschem Namen und neuer Identität bei einem ehemaligen Kriegskameraden Mennes einquartieren, kann er in fast völliger Isolation bei anderen Bauern im Geräteschuppen, auf dem Dachboden oder im Bett einer todkranken Frau überleben. Jedoch nicht, ohne Marga vorher das Versprechen gegeben zu haben, dass er immer in ihrer Nähe sein wird. Es sind zwei harte Jahre, in denen es zwar Marga im Vergleich zu Menne leichter hat, aber die Angst vor dem Entdecktwerden ist in jeder Sekunde spürbar, die Sorge um den Mann kaum auszuhalten und die Nähe zu deutschen Nationalsozialisten äußerst belastend und gefährlich. Trotz dieser bedrückenden Zustände freundet sich Marga mit Anni Aschoff (Lia Hoensbroech) der Tochter des Hauses an, und das, obwohl Anni voller Überzeugung die Uniform der Hitler-Jugend trägt. Als Marga eines Tages von der Wirtin des Ortes erkannt und dadurch ihre wahre Identität verraten wird, muss Anni sich entscheiden, ob sie die ins Herz geschlossene Freundin ausliefert oder "Hochverrat" begeht, denn Juden zu verstecken wurde von den Nazis mit der Todesstrafe sanktioniert. Letztendlich entscheidet Anni sich für den einzig wahren Weg, für Marga. Nach zwei angsterfüllten Jahren und einem Leben am Rande der Deportation, beenden die Alliierten endlich die braune Herrschaft. Die Spiegels sind einige der wenigen Juden, die diesen Albtraum überlebt haben – dank der westfälischen Bauern.

Unter Bauern ist kein Heldenporträt von guten Deutschen, die selbstlos Juden das Leben retteten, sondern es zeigt sie in ihrer Zerrissenheit und Unsicherheit. Somit wird hier kein Geschichtsbild beschönigt, sondern äußerst real dargestellt. Selbstverständlich war das Verhalten der westfälischen Bauern ungewöhnlich mutig, denn sie setzten damit ihr eigenes Leben aufs Spiel, aber keiner von ihnen wird per se als idealisierter Menschenfreund porträtiert. Das fällt an Sätzen auf, in denen darüber debattiert wird, dass die Juden doch schon irgendetwas getan hätten, sonst würde Hitler schließlich nicht die Deportationen anordnen. Auch die Wut und Verzweiflung der Bäuerin, die gerade ihren Sohn in Russland an der Front verloren hat, und sich die Frage stellt, warum sie eine fremde Jüdin und stattdessen nicht ihren eigenen Sohn versteckt hat, zeigt die inneren Konflikte und die braune Infiltration, in denen sich die Menschen befunden haben. Wenn dies nicht im Film sichtbar gemacht worden wäre, dann hätte man einen unkritischen Hollywoodstreifen auf der Leinwand. Somit ist genau diese Brüchigkeit die große Stärke des Filmes. Auch Veronica Ferres überzeugt in der Rolle der Marga Spiegel, die sie mit dezenter Unaufdringlichkeit spielt, dem Zuschauer die Emotionen vor allem durch Mimik mitteilt, ohne große Gesten, die durch viele Naheinstellungen noch verstärkt werden. Insbesondere aber beeindruckt Armin Rohde, der in der Isolation seines Versteckes fast irre wird, und dies in Gefühlsausbrüchen derart intensiv darstellt, dass einem der kalte Schauer über den Rücken läuft.

Unter Bauern erhielt von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden das Prädikat "besonders wertvoll" mit der Begründung: "Das Geschichtsdrama ist besonders durch die Nähe zu den Protagonisten sehr bewegend und die Schicksale fesselnd bis ins Detail. Der authentische Film zeigt, zum einen Mut, Menschlichkeit, Freundschaft und auch den schmalen Grad zwischen Freud und Leid. Die brillante Besetzung und die exzellente Ausstattung machen Unter Bauern darüber hinaus sehenswert. Ein äußerst packender und berührender Film, der eine außerordentlich persönliche und hoch interessante Geschichte präsentiert." Dem ist eigentlich kaum noch etwas hinzuzufügen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/unter-bauern