My Name Is Khan

Überraschende Begegnung mit einem indischen Leinwandgott

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Seit ein bestimmter privater Fernsehsender vor ein paar Jahren begann Bollywood- Filme zu zeigen, weiß auch hierzulande jeder wie ein solcher Film funktioniert. Ordentlich lang muss er sein, bunt und mit mindestens fünf Gesangseinlagen zwischendurch. Sex gibt es maximal angedeutet und überhaupt – es geht um Romantik, wahre Liebe und Aufopferung, das Ganze immer verpackt in einer Mischung aus Drama und Komödie. So gesehen ist My Name is Khan ein Film, der überrascht.
Shah Rukh Khan, seineszeichens indischer Leinwandgott und Traum vieler schlafloser Nächte, spielt in Karan Johars viertem Film Rizvan Khan, eine jungen muslimischen Mann mit Asperger Syndrom, einer Form von Autismus. Diese Krankheit macht ihm einerseits große Probleme sich in der Gesellschaft zurecht zu finden, andererseits schenkt sie ihm eine hohe Intelligenz. Als Rizvan in die Vereinigten Staaten zieht, lernt er die allein erziehende Mutter Mandira (Kajol) kennen und lieben. Beide heiraten, trotz vieler Probleme; eines davon besteht darin, dass Mandira Hindu ist und damit keine "geeignete" Partie für einen Muslim. Trotz allem integriert sich die neue Familie in der amerikanischen Gesellschaft weitestgehend bis die Ereignisse von 9/11 alles ändern. Im Zuge der Terrorangst und Fremdenfeindlichkeit, kommt schließlich Mandiras Sohn ums Leben – sein Nachname war Khan, ein eindeutig muslimischer Name. In ihrem Schmerz wirft Mandira ihren Mann aus dem Haus, welcher sich auf eine Reise durch Amerika macht, um den Präsidenten zu finden und zur Rede zu stellen.

Asperger Syndrom, tote Kinder, Rassismus, Terrorismus, Religionsstreitgkeiten, 9/11 - das klingt nicht wirklich nach romantischer Bollywoodkomödie. Der Kern ist zwar noch enthalten – Khan ist bedingungslos in seine Frau verliebt und würde alles für sie tun, der Rest jedoch ist harte Gesellschaftskritik und ein Aufruf zu mehr Menschlichkeit. Dabei arbeitet der Film mit dem für seinen Kulturkreis typischen Mitteln, die für mitteleuropäischen Geschmack unglaublich schnulzig sein mögen. Aber unter all dem Tränen triefenden Kitsch stecken mehrere interessante Aspekte.

Spannend an diesem Film für europäisches Publikum ist vor allem die Sichtweise auf die weltpolitischen Ereignisse der letzten Jahre. Der Film greift nicht nur 9/11 auf und wie sich die amerikanische Gesellschaft danach verändert hat. Auch George W. Bush und Obama kommem in Film vor. Während erster vor allem dadurch porträtiert wird, dass er nicht porträtiert wird (man sieht ihn immer nur gerade wegfahren), ist seine politische Schlagrichtung und deren Konsequenzen aber eindeutig. Die Angst und Paranoia, die in der Gesellschaft herrschen, zusammen mit dem anfänglichen Enthusiasmus, den Terroristen ordentlich Saures zu geben, bestimmt das Leben aller Menschen im Film. Auffällig dabei ist, dass die Sicht auf die Dinge eben die indischer, dunkelhäutiger Bürger ist. Und auch sonst wartet der Film mit so vielen Minoritäten auf, dass weiße Menschen nur am Rande mitagieren. Ein interessanter Effekt für das kaukasisch gewöhnte Auge.

Auch der Hauptcharakter ist ein Gegenentwurf zum amerikanischen Superhelden. Als indischer Asperger Patient begibt sich Rizavan Khan auf eine Reise durchs Land in dem er eigenhändig die verstörten Amerikaner an Menschlichkeit und Nächstenliebe erinnert. Dabei übertreibt der Film so dermaßen, dass er jeden amerikanisch-patriotischen Heldenfilm locker das Wasser reichen kann. Shah Rukh Khan überzeugt nicht ganz als Autist was ab und an zu unfreiwillig komischen Momenten führt. Trotzdem, die Aussage bleibt eine interessante: ein behinderter Mann begibt sich auf die Reise durch Amerika und bringt das Land eigenhändig zurück zu Vernunft und Menschlichkeit. Noch vor Obama ruft er quasi "Yes we can".

Ein drittes wichtiges Thema, das der Film aufgreift ist das der Religion. Nicht nur in den USA ist das ein Problem. Auch in Indien gibt es immer wieder massive Gewaltausbrüche zwischen Hindus und Muslims. Shah Rukh Khan selbst hat vor Jahren schon einen Skandal ausgelöst als er als Muslim eine Hindu heiratete. Dass der Film dieses Problem recht explizit aufgegriffen hat, hat in Indien zu einem Aufruhr unter den Fundamentalisten geführt, die den Film boykottieren.

Insgesamt macht My Name is Khan viele gesellschaftspolitische Baustellen auf. Nicht allen wird er dabei gerecht, aber insgesamt schafft der Film es doch die Masse an schwerwiegenden Themen zu bearbeiten und diese auch noch in eine recht launige Dramaturgie einzubinden.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/my-name-is-khan