Me Too - Wer will schon normal sein?

Frosch trifft Prinzessin

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Na bitte, es geht doch: Im Kino lässt sich wunderbar frech und "normal" von den Liebesnöten behinderter Menschen erzählen – ganz ohne Mitleids- und Betroffenheitsmiene. Eine Woche nach dem deutschen Renn, wenn du kannst von Dietrich Brüggemann startet der spanische Me too - Wer wil schon normal sein? / Yo también in den Lichtspielhäusern. Ein schwungvolles, mit feinem Humor gezeichnetes Liebesdrama zwischen einem Mann mit Down-Syndrom und seiner "normalen" Arbeitskollegin.
Daniel (Pablo Pineda) ist 34 und hat gerade sein Studium der pädagogischen Psychologie abgeschlossen. Für einen Menschen mit Down-Syndrom eine außergewöhnliche Leistung. Aber damit ist Daniel längst nicht am Ziel seiner Träume. "Jetzt muss ich nur noch heiraten", verkündet er den verdutzten Eltern, die mit ihm auf seinen ersten Arbeitstag in einer Beratungsstelle für behinderte Menschen anstoßen. Der junge Mann hat ein Auge auf die blonde Laura (Lola Dueñas) geworfen – eine nicht-behinderte Frau, die schon vielen Männern den Kopf verdreht hat. Kann das gut gehen? Oder soll sich Daniel ein Vorbild an Pedro und Luisa nehmen, zwei "Downies", die sich bei der Arbeit in einer Tanzgruppe von Menschen mit Down-Syndrom ineinander verlieben?

"Du bist eine Prinzessin und ich bin ein Frosch", sagt Daniel einmal zu Laura, als die beiden nebeneinander herlaufen - sie etwa einen Kopf größer, er etwas dicklich und nicht unbedingt ein Adonis. Natürlich ruft das sogleich die Assoziation von dem Prinzen hervor, der in dem Frosch stecken mag. Und so ist es ja auch, dieser Daniel hat einiges zu bieten, was ihn zu einem begehrenswerten Menschen macht. Nur dass diese Geschichte aller Beschwingtheit zum Trotz nichts Märchenhaftes hat, sondern auf einem wahren Kern basiert. Es sind die Einsamkeit und ihr Sinn für Humor, die diese beiden Menschen miteinander teilen. Hier kommt eine Seelenverwandtschaft ans Licht, die in den Dialogen sehr glaubwürdig angelegt und schauspielerisch hervorragend umgesetzt ist.

Dass die Irrungen und Wirrungen dieser eigentlich völlig unmöglichen Beziehung so authentisch rüberkommen, hat etwas mit den Hintergründen dieses Langfilmdebüts der beiden Regisseure Álvaro Pastor und Antonio Naharro zu tun. Pablo Pineda, der den Daniel spielt, ist auch im wirklichen Leben der erste Europäer mit Down-Syndrom, der einen Hochschulabschluss geschafft hat.

Die Regisseure haben Pablo in einem TV-Beitrag gesehen und ihn gefragt, ob er die Rolle spielen möchte, die nur zum Teil sein eigenes Leben reflektiert – der andere Teil ist fiktiv und musste schauspielerisch erarbeitet werden. Eine Leistung, die gar nicht hoch genug einzuschätzen ist, zumal der Laiendarstellerin keineswegs gegenüber seiner professionellen Kollegin Lola Dueñas abfällt, die schon bei Pedro Almodovár gespielt hat und für ihre Rolle in Me too den spanischen Goya bekommen hat, den wichtigsten spanischen Filmpreis.

Auch einer der beiden Regisseure kennt das Thema des Down-Syndroms aus eigener Erfahrung. Antonio Naharros Schwester Lourdes kam mit der Chromosomen-Anomalie zur Welt. Sie spielt in dem Film die Luisa, ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Leistung. Auch die Tanzgruppe, die in dem Film vorkommt, gibt es wirklich. Es ist die Gruppe "Danza Móbile", ein professionelles Ensemble von Menschen mit Down-Syndrom, das Vorstellungen gibt und mit seinem Programm auf Tournee gibt.

Die Tanzszenen und die Liebesgeschichte innerhalb der Truppe bilden einen schönen Kontrapunkt zu der im Vordergrund stehen Geschichte zwischen Daniel und Laura. Aber auch ohne diese Auflockerung könnte der Film mühelos bestehen. So geradeheraus, so komisch und so anrührend ist dieses Duo, dass man sich nur wünschen kann, es würden noch mehr Filme folgen, die derart unkompliziert mit dem Thema Behinderung umgehen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/me-too-wer-will-schon-normal-sein