Männer al dente (2010)

Pasta, basta!

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Tomasso ist ein Freigeist. Er wohnt in Rom mit seinem Freund, hat Literatur studiert und ein Buch geschrieben. Es gibt aber noch einen anderen Tomaso. Der hat in Rom Ökonomie studiert, ist hetero und soll zusammen mit seinem älteren Bruder die Nudelfabrik der Familie übernehmen. Doch darauf hat er keine Lust und schmiedet einen Plan. Er wird sich befreien und bei der anstehenden Familienfeier vor allen Leuten verkünden, dass er ein Schriftsteller ist und keine Ahnung von Ökonomie hat. Und dass er auf Männer steht. Nur seinem Bruder vertraut er sich schon vorher an. Als sein großer Augenblick gekommen ist, erhebt sich jedoch sein Bruder zuerst und outet sich vor der Familie worauf hin er prompt rausgeschmissen wird und der Vater einen Herzinfarkt erleidet. Bevor Tomaso sich versieht, ist er plötzlich Papas neuer Liebling und Chef der Nudelfabrik, während sein Freund ungeduldig in Rom auf seine Rückkehr wartet.

Ferzan Ozpeteks neuer Film Männer al dente / Mine vaganti ist auf den ersten Blick ein fast typisch italienischer Familienfilm. Vom patriarchial-konservativen Vater, der stets auf Harmonie bedachten Mutter, der Alkoholikertante bis hin zur zynischen Oma sind alle dabei. Nur eines ist anders. Die zwei jungen Söhne sind nicht die größten Schürzenjäger des Dorfes. Und das macht vor allem dem Vater ganz schön zu schaffen. Auch wenn der Film leichtfüßig und unglaublich charmant daher kommt, so behandelt er doch ein ernstes Thema. In einem Land wie Italien, in dem Katholizismus und Machismo noch weit verbreitet sind, haben Homosexuelle es nicht leicht. Mine vaganti schafft hier ein wenig Aufklärung. Nein, schwul sein ist nicht heilbar und es ist auch nicht das Ende der Welt, auch wenn sich das ganze Dorf das Maul zerreißt. Was viel wichtiger ist – und das gilt in diesem Film nicht nur für die queeren Charaktere, sondern vor allem auch für die Frauen der Familie - man muss sich emanzipieren und befreien von den Fesseln der Tradition und der gesellschaftlichen Regeln, wenn man glücklich sein will. Ozpeteks Familienkonstellation ist eine, in der sich jeder an die Regeln hält und sich dabei entweder schon verloren hat oder darunter leidet. Die Verkündung am Esstisch, dass der Sohn schwul sei ist nur der Tropfen der das Fass zum endgültig Überlaufen bringt und einen schmerzhaften aber wichtigen Prozess des Erwachens in Gang setzt.

Dabei zeigt Ozpetek seine Familienoper in wunderschönen, sonnengetränkten Bildern, die das Verlangen und die Sehnsucht der einzelnen Charaktere externalisieren. Manchmal verbindet er in seinen Bildern vergangene und kontemporäre Ereignisse der Familienchronik und vermag es rein mit seiner Bildsprache gleich zwei Geschichten zu erzählen, die zu einander in Bezug stehen. Besonders gelungen ist sein Einsatz von Humor, der nie unbedacht und krude, sondern hochgradig sensibel ist.

Mine vaganti ist großartiges italienisches Kino. Melancholisch und witzig zu gleich erzählt der Film eine große Familiengeschichte, die alt und neu zugleich ist und leistet dabei ein liebevolles Stück Aufklärungsarbeit - nicht nur für die italienische Gesellschaft.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/maenner-al-dente-2010