How I Ended This Summer

Ein Eiskammerspiel

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wer angesichts des Filmtitels auf sommerliche Wärme zumindest auf der Leinwand gehofft hatte, sah sich bei Alexei Popogrebskys russischem Wettbewerbsbeitrag Kak ya provel etim letom / How I Ended This Summer spätestens nach zehn Minuten bitter enttäuscht. Denn das, was in Chuktoka im Nordosten Russlands als Sommer gilt, würde bei uns in normalen Jahren beinahe schon als Winter durchgehen. Vor dieser eisigen und unwirtlichen Kulisse hat der Regisseur ein frostiges und beinahe archaisches Psychodrama zweier Männer angesiedelt, bei dem es um Rache, um Hass, um Mut und Feigheit geht. Das Ganze ist an einem einzigen (Polar)Tag (der in Wirklichkeit mehrere Wochen dauert) angesiedelt, der Sonnenaufgang und der Untergang markieren Anfang und Ende des Films, dazu die Einheit des Ortes und der Handlung und ein äußerst reduziertes Personal – keine Frage, dies ist ein richtiges Eiskammerspiel.
In einer Wetterstation an der Küste schieben zwei Männer Dienst, es sind die letzten Tage ihrer Schicht. Bald wird ein Schiff kommen, um sie abzulösen. Der Ältere, Sergei (Sergei Puskepalis), ist ein brummiger und nicht gerade freundlicher Bär, der schon seit Ewigkeiten hier Dienst tut und der der anstehenden Begegnung mit Frau und Kind mit gemischten Gefühlen entgegensieht. Der Jüngere, Pavel (Grigory Dobrygin) kommt frisch von der Uni und vertreibt sich die Zeit mit Unsinn und Ballerspielen. Als Sergei zum Fischen in die Bucht fährt, empfängt Pavel einen Funkspruch, dass Sergeis Familie etwas zugestoßen ist und dieser sich unbedingt bei seinem Arbeitgeber melden soll. Der Jüngere aber gibt diese Nachricht nicht weiter, immer wieder zögert er es hinaus, vielleicht, weil er Sergei nicht leiden kann, vielleicht aber auch nur aus Feigheit. Er manipuliert das Funkgerät, um nicht mehr mit den Vorgesetzten reden und sich fragen lassen zu müssen, warum Sergei nicht zurückruft, er lässt das mitgeschriebene Telegramm verschwinden und sabotiert die Wahrheit systematisch. Als die Nachricht dann doch herauskommt, bricht der angestaute Hass heraus, Sergei verfolgt Pavel und will ihm offensichtlich eine Abreibung verpassen. Pavel wehrt sich auf seine Weise, indem er den Fisch, den Sergei so liebt, radioaktiv verseucht und den Riesen davon essen lässt. Am Ende, als das rettende Schiff dann doch kommt, versöhnen sich die beiden wieder miteinander. Und Sergei beschließt, weiterhin auf der Station zu bleiben, die so lange seine Heimat war – was soll er auch woanders?

Viel Zeit lässt sich Alexej Popogrebsky für die Exposition seines Psychodrama. Ausführlich lernen wir die Station kennen, wissen gleich von Anfang an um die die Gefahren der Radioaktivität, die von einem kleinen Atommeiler ausgeht, der hier droben für Strom sorgt, erfahren, dass es Eisbären gibt und dass Sergei das Fischen liebt. Es sind Alltagsbeobachtungen, die uns das eintönige Leben in der Einsamkeit nahe bringen. Als es dann zur Sache geht, hat man als Zuschauer das Problem, dass einem keiner der beiden Akteure wirklich sympathisch geworden ist, dass man mit keinem der beiden mitfiebern und mitbangen mag. Da das Ganze dennoch einigermaßen spannend inszeniert ist, hält man die mehr als zwei Stunden zwar durch, zwischendrin aber wünscht man sich doch, das verdammte Schiff würde endlich kommen und die beiden Metereologen von ihrem verbissenen Kampf befreien, der sich zudem am Ende recht lax in Wohlgefallen auflöst.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/how-i-ended-this-summer