Splice

Du sollst die selbst geschaffenen Monstren nicht unterschätzen

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Dem Vorspann schon ist im wahrsten Sinne des Wortes das Thema eingeschrieben, dem der Film sich nähern will: Da sieht man die Namen der Hauptdarsteller und mehr in Gewebe geschrieben, als Äderchen, Zellstrukturen, biologische Formen. Kulturelle Produktion scheint hier direkt ins Biologische übertragen worden zu sein, und Splice führt genau das vor, und fragt weiter: Was passiert dann?
Clive und Elsa (Adrien Brody und Sarah Polley) sind privat wie beruflich ein Paar, zwei brillante Biowissenschaftler, die mit genetischen Codes hantieren wie Mechaniker mit Nieten und Schrauben. In ihrem eigenen kleinen Forschungslabor "N.E.R.D." (man ahnt, welches Selbstverständnis die zwei von sich pflegen, und sieht es ihrer Wohnung auch an), Unterabteilung eines großen Pharmaunternehmens, betreiben sie die Mischung des genetischen Materials verschiedener Tierarten. Nach einem besonderen Erfolg wollen sie weiter vorpreschen zur Kombination von tierischen mit menschlichen Genen, werden aber gebremst: Jetzt sei es erst einmal Zeit für die Produktion von Wirkstoffen, bevor man solch ethisch problematische Ziele weiter verfolgen könne.

Widerstrebend stimmen die beiden zu, aber Elsa will zumindest heimlich austesten, wie weit sie gehen können – in einem abgeschlossenen Labor gelingt ihr die Züchtung eines hybriden Embryos, der erstaunlich schnell wächst; und noch bevor die beiden ihr Zögern überwinden können, das Wesen zu töten, bevor es allein lebensfähig wird, drängt dieses bereits zur Geburt aus seiner künstlichen Gebärmutter.

Splice ist voll von solchen Momenten: Während die Menschen noch zögern, sucht das Leben, wie es damals in Jurassic Park schon hieß, sich seinen Weg. Und während die Kreatur, die hier zur Welt kommt, natürlich ein Monstrum im traditionellen Sinne ist, ist sie doch im Inneren wie im Äußeren (gegeben von Abigail Chu und Delphine Chanéac) auch zutiefst menschlich; und so kommen auch die Analogien, die der Film unterschwellig zwischen der Erschaffung von Dren (so nennen Clive und Elsa ihr Baby: Nerd, rückwärts gelesen) und einer Schwangerschaft ziehen, nicht von ungefähr. Elsa will, obwohl Clive sie drängt, kein Kind. Sie habe Angst, wirft er ihr einmal vor, die Kontrolle zu verlieren, sie wählt jedenfalls lieber die Schöpfung qua Wissenschaft.

Dass man dabei die Kontrolle nicht weniger leicht verlieren kann, ist natürlich ein Topos des Horrorfilms – unzähligen mad scientists entflohen ihre Kreaturen schon, die sie doch willfährig und fügsam glaubten. Im Grunde sind das Pygmalion-Geschichten, in denen die Zurichtung nach den Vorstellungen des Schöpfers misslingen muss, weil das Geschöpf immer mehr ist, als er sich vorzustellen in der Lage war. Und genau dies geschieht auch hier: Clive und vor allem Elsa sehen in Dren zunächst ein Tier, ein Haustier gar, das zuzurichten ist – erst spät ahnen sie in ihr, die immer mehr einer jungen Frau ähnelt, die Ebenbürtige, womöglich gar Überlegene. Da haben sie Dren schon längst, weil das Labor geräumt werden musste, in einer Scheune versteckt; Elsa hat eine Farm geerbt, und in den winterlich vernebelten Wäldern drumherum muss es dann zur finalen Konfrontation kommen.

So wird dann Splice unversehens, aber nicht überraschend zu einem klassisch anmutenden Monstergruselfilm, der in Setting und Stil die Horrorfilme etwa von James Whale (Frankenstein, The Invisible Man) zitiert. Regisseur und Autor Vincenzo Natali, dem Genrepublikum bisher vor allem durch seine beiden Filme Cube und Cypher bekannt, lässt hier seiner Liebe zu diesen Filmen freien Lauf und Ausdruck – sogar die Namen der Protagonisten sind der Ära entlehnt, nämlich den Namen der Schauspieler Colin Clive (Frankenstein) und Elsa Lanchester (Bride of Frankenstein). Er macht das jedoch sicher in Stil und Ton; darüber hinaus aber stattet Natali sein liebenswertes Monster nicht nur mit einer komplexen Persönlichkeit aus, sondern denkt die Beziehung zwischen Mensch und Monstrum noch um einige, zum Teil schmerzhafte Schritte weiter.

Dass der Film dabei weit über die meist oberflächliche Effekthascherei des zeitgenössischen Monsterkinos hinausgeht, verdankt er seinen Hauptdarstellern. Brody und Polley geben ihren Wissenschaftlern zwar Entschlossenheit und Hybris auf den Weg, beide sind aber im Angesicht Drens nicht nur von ihrem Können und dem Ergebnis ihrer Arbeit fasziniert, sondern auch hilflos und verletzlich (und gelegentlich so hysterisch-übermüdet glücklich, wie es sonst nur junge Eltern sein können). Bei Dren zahlt sich aus, dass Natali für sein Monstrum zwar auf CGI keineswegs verzichtet hat, sich aber für Gestik und Mimik vor allem auf Chanéacs Können verlässt. Das Monstrum ist so für uns vor allem menschlich: Und umso furchtbarer sind die Momente, in der wir seiner Monstrosität gewahr werden.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/splice