Marcello Marcello

Inselliebe

Eine Filmkritik von Annette Walter

Italienische Inseln mit azurblauem Meer, bunt gestrichenen Häusern und felsigen Stränden geben spätestens seit Jean-Luc Godards Le Mépris eine fantastische Kulisse für Irrungen und Wirrungen der Liebe ab. Der Schweizer Regisseur Denis Rabaglia siedelt seinen zweiten Film Marcello Marcello folgerichtig auf der fiktiven Insel Amatrello im Süden Italiens an.
Auf Amatrello tummeln sich facettenreiche Figuren rund um den jugendlichen Helden Marcello (Francesco Mistichelli), der die erste Liebe sucht: der Dorflehrer, Professor Pizzuti, der den intelligenten und feinsinnigen Jungen zu einem Studium in Rom ermutigen möchte, sein vom Leben gezeichneter Vater Mariano, Fischer von Beruf, der grobschlächtige Fleischer Rozzani, der frömmelnde Padre Don Tommaso, der politische korrekte Bürgermeister del Ponte, das dandyhaft-versnobte Millionärssöhnchen Armando, die kapriziöse Diva, Signora Lombardi, und die bezaubernd-mädchenhafte Elena (Elena Cucci). Marcello möchte seine erste große Liebe Elena für sich gewinnen und wirbelt damit das ganze Dorf auf. Schließlich darf er sie nur auf ein Rendezvous ausführen, wenn er einem alten Brauch Amatrellos folgt: Er muss Elenas Vater, dem Bürgermeister del Ponte, ein Geschenk überreichen, das diesen so sehr beeindruckt, dass er seiner Tochter Ausgang gewährt. Doch auch andere Kavaliere buhlen um Elenas Gunst. Ob Marcello diese Aufgabe gelingt, muss der Zuschauer selbst erkunden.

Marcello Marcello handelt von der Liebe, dem Schicksal und Fragen, die Menschen seit jeher plagen: Wie verbringe ich mein Leben, das mein einziges ist? Füge ich mich in meine gesellschaftliche Rolle oder mucke ich auf? Ist unsere erste Liebe die tiefste Emotion des Daseins oder ist sie eine soziale Konstruktion?

Rabaglia verpackt diese Fragen in eine luftig-leicht Sommerkomödie, die auf dem Buch Marcello's Date des Briten Mark David Hatwood aus dem Jahr 2004 basiert. Rabaglia hat die Geschichte gemeinsam mit Co-Autor Luca de Benedittis überarbeitet und Ort sowie Inhalt und Dialoge angepasst. Er benutzt das Motiv der Kleinstadt als Mikrokosmos des Lebens, in dem sich menschliche Konflikte en miniature abspielen, in der Charaktere aufeinandertreffen, die exemplarisch für gesellschaftliche Milieus stehen. Er rekurriert damit auf ein seit jeher beliebtes Sujet in Film (Twin Peaks von David Lynch) und Literatur (Our Town von Thornton Wilder).

Die Komödie Marcello Marcello, eine schweizerisch-deutsche Koproduktion, siedelt eine Liebesgeschichte in der neapolitanischen Gesellschaft der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts an und zeichnet ein liebevolles Bild dieser Zeit. Trotzdem bleibt der Film konventionell inszeniertes Handwerk. Weil Rabaglia Sinn für das richtige Timing besitzt, ein akribischer Beobachter mit viel Liebe zum Detail und einem großen Herz für seine Figuren ist, verzeiht man ihm den Verzicht auf jegliche Experimentierfreudigkeit und die Tatsache, dass hier lediglich altbekannte narrative Erzählmuster wiederholt werden. Eine authentische Atmosphäre schaffen größtenteils mit der Handkamera gedrehte Point-Of-View-Shots. Allenfalls der bisweilen etwas aufdringliche und bewusst auf Hollywood getrimmte Score stört den Gesamteindruck. Ein harmonisch komponiertes kleines Filmjuwel mit verführerischem Italien-Flair, wenngleich es wohl nur einen Sommer lang funkeln wird.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/marcello-marcello