Das letzte Schweigen (2010)

Die Unwiderrufbarkeit des Todes

Eine Filmkritik von Annette Walter

Es ist eine der schmerzhaftesten Situationen, die man sich vorstellen kann: Mutter und Vater streiten sich mit ihrer Tochter, die deshalb im Zorn das Haus verlässt. Das Mädchen fällt einem Verbrechen zum Opfer. Die Chance der Versöhnung ist für auf alle Ewigkeit zerstört. Jahr um Jahr werden sich die Eltern quälen und bereuen, wie sie sich in den letzten Stunden des Zusammenseins verhalten haben.

Diese dramatische Geschichte ist eine der Schlüsselszenen im Film Das letzte Schweigen. Ein 13-jähriges Mädchen verschwindet nach einem Wortgefecht mit den Eltern und taucht nicht wieder auf. Was ist mit Sinikka passiert? In derselben Kleinstadt wurde bereits vor 23 Jahren die junge Pia getötet.

Für seinen zweiten Spielfilm Das letzte Schweigen widmet sich Regisseur Baran bo Odar oberflächlich betrachtet einer Kriminalgeschichte. In erster Linie geht es ihm aber um den emotionalen Zustand seiner Figuren. Er konnte ein hervorragendes Ensemble mit den besten Schauspielern, die Deutschland zu bieten hat, gewinnen: Wotan Wilke Möhring, Burghart Klaußner (Das weiße Band), Katrin Sass (Good Bye, Lenin!), Sebastian Blomberg, Karoline Eichhorn und einige andere.

Man fragt sich also, wieso er ihnen dermaßen platte Dialoge in den Mund legt. Wenn Kommissar David Jahn (Sebastian Blomberg), von einer Depression geplagt, da seine Frau vor kurzem an Krebs gestorben ist, Elena Lange (Katrin Sass), die Mutter von Pia, fragt: "Wann hört das auf?" dann spricht der fernsehkrimiversierte Zuschauer die Antwort mit schlafwandlerischer Sicherheit mit: "Nie". Der Tatort lässt grüßen.

Bo Odar will mit seinem Film zu viel erreichen und das ist an manchen Stellen wohl sein Manko. Der Films leidet an seiner dick aufgetragenen Dramatik, an seiner Überambitioniertheit und der Schwarz-Weiß-Malerei der Charaktere, die eher schablonenhaft als komplex daherkommen. Von allem gibt es hier zu viel. Die Polizisten reagieren aggressiv, der Vater dreht nach dem Verschwinden seiner Tochter auf der Polizeiwache durch, Katrin Sass als Mutter des ermordeten Mädchens ist eiskalt.

Eine Stärke des Films: Er gibt keine leichtfertigen Antworten und Interpretation. Die Motive des Kinderschänders und -mörders bleiben im Dunklen. Eine großartige Leistung zeigt Wotan Wilke Möhring als Familienvater Timo, der unter seinen pädophilen Neigungen leidet, aber gleichzeitig keine Rettung findet. Dieser Protagonist macht Das letzte Schweigen zu seinem sehenswerten Film, nimmt er sich doch dieses Tabuthemas differenziert an. Bo Odars Film erzeugt auf der Gefühlsebene trotz mancher inhaltlichen Schwächen letztlich eine Stimmung, der man sich nicht entziehen kann. Man verlässt das Kino mit einem beunruhigenden Gefühl.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/das-letzte-schweigen-2010