The Human Centipede

Horrortrash mit Kultfaktor

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Schon seltsam, wie manche Filmemacher auf Ideen für ihre zukünftigen Werke kommen. Irgendwann saß Tom Six mit einem Kumpel bei einem Bier und unterhielt sich über Pädophilie. Sein Freund meinte, die beste Strafe wäre, Kinderschänder an den Hintern eines alten, ekligen Truckers zu nähen. Diese verblüffende Antwort ging Six nicht mehr aus dem Kopf und formte sich bald zu einer Idee. Zusammen mit seiner Schwester machte er daraus The Human Centipede.
Dr. Heiter, urdeutscher Protagonist des Horrorstreifens ist im ein renommierter Chirurg mit Spezialisierung auf das Trennen von siamesischen Zwillingen. Gleichzeitig ist der gute Doktor noch Kunstliebhaber. Seine Leidenschaften verbindet er kunstvoll, in dem er sein Haus in der deutschen Prärie mit Kunstdrucken siamesischer Zwillinge bestückt hat. Doch irgendwann wird er des Trennens überdrüssig und sucht sich ein Hobby zum Ausgleich. Was wäre da geeigneter als das Zusammennähen von Menschen? Praktischerweise klopfen eines Abends zwei eher schlichte amerikanische Touristinnen an die Tür seiner versteckten Villa. Ihr Auto hat eine Panne und sie wollen mal kurz telefonieren. Natürlich kommt alles anders, als die Damen sich dachten und ehe sie Hilfe schreien können, liegen sie semi-narkotisiert in des Doktors privatem Operationssaal. Neben ihnen ein schreiender Japaner. Mit deutscher Pingeligkeit und Liebe zum Detail wird nun den drei schreienden Opfern und dem entsetzten Zuschauer haarklein und akkurat der Operationsplan vorgestellt. Die drei Menschen sollen eins werden und für Dr. Heiter gibt es keinen besseren Weg als sie Mund an After aneinander zu nähen und so eine ganz neue Art der Nahrungskette zu schaffen. Liebevoll nennt er seine Kreation den menschlichen Tausendfüßler. Während man den Ausführungen des Arztes lauscht, kommen sofort zwei Fragen auf: Das macht der doch nicht wirklich (oh doch, er tut es.) und Was passiert danach? Offensichtlich ist die Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt, wie soll der Film also weiter gehen? Doch er geht weiter, zum Entsetzen von Zuschauer und Opfer.

Der Horror dieses Filmes ist perfide. Natürlich wird es hier und da ein wenig blutig, doch das eigentlich Gruselige ist die Vorstellung (und Umsetzung) der geplanten Operation. Nach Saw und Hostel ist man ja einiges an ekelhaften, schmerzenden Torturen gewöhnt. Das Abartige und zugleich Anziehende an The Human Centipede ist aber nicht die erwartete Verstümmelung der Opfer, sondern die Änderung ihres menschlichen Zustands. Aus drei Entitäten wird eine, die ab da nicht mehr ohne die anderen leben kann und sich sowohl im Aussehen als auch im Auftreten während des Filmes mehr und mehr vom Mesnchlichen entfernt.

Schlimmer noch ist die damit verbunden psychologische Haltung. Die drei Opfer werden ihrer Würde beraubt, ihre Metamorphose ist die ultimative und plastische Darstellung eines Lebens ohne Intimsphäre, in absoluter Abhängigkeit und einer permanent zur Schau gestellten Degradierung. Es ist entsetzlich und hochgradig emotionalisierend, dem Treiben zuzuschauen und man kommt nicht umhin, recht viel zu lachen in diesem Film. Nicht weil er witzig ist, sondern als Abwehrreaktion und als Versuch sich vom Geschehen auf der Leinwand ein wenig zu lösen. Natürlich ist klar, dass einem selbst so etwas nie passieren wird, doch die Grundhaltung, die hinter Tom Six absurder Idee steht, ist keine unbekannte. Die Furcht seine Würde und seine Persönlichkeit zu verlieren, findet sich in Jedem wieder.

Genau das macht diesen Film zu einem hochgradig intelligenten und einzigartigen Horrorfilm: das Spiel mit den tief verwurzelten Ängsten, welches Six durch seine völlig irrsinnig erscheinende Metapher tief in das Herz des Zuschauers bohrt und nicht mehr los lässt. Wer diesen Film gesehen hat, wird noch lange von ihm reden.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-human-centipede