The American

Ein Mechaniker des Todes

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

"I'm not good with machines" - dieser Satz fällt gleich mehrmals in Anton Corbijns neuem, mit Spannung erwartetem Film The American. Der Mann (George Clooney), der diesen Satz spricht, nennt sich Jack und ist Profikiller und ein Waffenexperte, der je nach Auftrag auch für andere die feinsten Mordwerkzeuge zusammenschraubt. Mag ja sein, dass sich der Amerikaner, wie ihn mancher nennt, nicht besonders mit großen Maschinen auskennt – mit Gewehren und anderen Schusswaffen ist er hingegen ein wahrer Meister und wird deshalb häufig gebucht.
Dann aber gerät Jacks sorgfältig organisierte Existenz ins Wanken, als er plötzlich nach einem Auftrag seinerseits Killer auf den Fersen hat. Mit Mühe entkommt er und tötet dabei sogar eiskalt seine Bettgefährtin, die zu viel gesehen hat. Sein Agent Larry (Bruce Altman) verschafft ihm einen sicheren Unterschlupf in den Abruzzen, wo erst einmal Gras über die delikate Angelegenheit wachsen soll, die viel Staub aufgewirbelt hat. Einen letzten Auftrag will Jack noch für die rätselhafte Killerin Mathilde (Thekla Reuten) übernehmen, die für einen Anschlag ein geeignetes Gewehr benötigt, dann soll endgültig Schluss sein.

In dem kleinen Ort, in dem Jack untertaucht, mit seinem Gewirr von Gassen und den zumeist recht einsilbigen Einwohnern beginnt die Fassade des eiskalten Todesengels bald zu bröckeln. Da ist etwa Priester, Padre Benedetto (Paolo Bonacelli), der sich auffallend für den Fremden interessiert. Und mit der verführerischen Prostituierten Clara (Violante Placido) verbindet Jack bald mehr als nur eine Liaison auf monetärer Basis, bei ihr wird aus dem "Americano" (natürlich läuft an einer Stelle im Film der Song "Tu vuò fà l'americano" von Renato Carasone in der Dorfkneipe) ein viel freundlicherer "Mr. Butterfly". Es ist beinahe so, als würde ausgerechnet er, der Heimatlose, dessen Leben bislang auf Verstellung, Lügen und Täuschungsmanövern aufgebaut war, so etwas wie ein Zuhause finden. Allerdings sind ihm auch hier rätselhafte Männer, dicht auf den Fersen. Und zudem drängt sich seine Auftraggeberin Mathilde in sein neues Leben. Bis Jack herausfindet, was wirklich gespielt wird...

Es ist bereits die zweite, beinahe schon die dritte Karriere des Anton Corbijn. Der aus den Niederlanden stammende Fotograf und Regisseur etlicher Musikvideos (unter anderem zu diversen Songs von Depeche Mode, U2, Mercury Rev, Coldplay und vielen anderen) hatte 2007 mit Control über das Leben und Sterben des Sängers der Kultband Joy Division seinen vielbeachteten ersten Spielfilm vorgelegt. Mit The American zündet Corbijn nun mutmaßlich – auch befeuert durch die geballte Starpower von George Clooney – die zweite Stufe seiner Laufbahn als Filmregisseur.

Wobei sich der Niederländer wieder auf sein visuelles Gespür, auf seinen Riecher für ungewöhnliche Perspektiven verlassen kann. Man merkt Corbijn an, dass er seine Wurzeln und seine ästhetischen Bezugssysteme eher in der Fotografie als im bewegten Bild hat. Vielleicht ist dies sogar der einzige Vorwurf, den man diesem Film machen kann – dass er zumindest zu Beginn sehr statisch daherkommt. Je länger The American aber andauert, umso besser ergänzt dieses visuelle Konzept die Atmosphäre und die unterkühlten Emotionen, die diesem Film seine ganz eigentümliche Wirkung verleihen.

Einen klassischen Western habe er im Sinn gehabt, merkt Corbijn an, als er das Drehbuch nach einer Romanvorlage von Martin Booth mit dem Titel A Very Private Gentleman gelesen habe: "Ein Fremder kommt in eine kleine Stadt und freundet sich dort mit einigen Leuten an. Aber dann holt ihn seine düstere Vergangenheit wieder ein, und am Ende kommt es zu einer großen Schießerei, einem regelrechten Showdown."

Da die Geschichte den bekannten Formeln des Westerns folgt und eigentlich kaum Überraschungen zu bieten hat (selbst die Auflösung am Ende kann kaum überraschen), konzentriert sich der Film vollkommen auf seine Bilder, die trotz ihrer zumeist unterkühlten Farben den Zuschauer regelrecht in die Geschichte hineinziehen und ihn das verlangsamte Tempo des Lebens in einem Ort wie diesem und die bleierne Zeit des Wartens spür- und nachvollziehbar miterleben lässt. Begleitet von der molllastigen Filmmusik, die Corbijns langjähriger Freund und Londoner Nachbar Herbert Grönemeyer komponierte, ist The American eine melancholische Gangsterballade, die an die Traditionen des Western ebenso anknüpft wie an Jean-Pierre Melvilles Der eiskalte Engel / Le Samouraï (1967) und andere schweigsame Killer der Filmgeschichte. Im Vergleich zu vielen anderen Thrillern der Gegenwart wirkt The American angenehm zurückgenommen, facettenreich und nachdenklich. Fast so, als sei er bereits jetzt, bei seinem Erscheinen, einer jener Klassiker, denen er so unverkennbar nacheifert und in deren Linie er sich mühelos einreiht. Und selbst einige kleinere Holprigkeiten im Drehbuch, das es an manchen Stellen etwas übertreibt mit den Wiederholungen und Erklärungen, können diesem Film kaum etwas von seiner Faszination nehmen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-american