Die Liebesfälscher (2010)

Szenen einer fiktiven Ehe

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Sie sind ein schönes Paar – zumindest auf den ersten Blick. Als der britische Schriftsteller James Miller (William Shmell) sein neues Buch über Original und Fälschung, über echte Kunst und falsche, in Italien vorstellt, glaubt man zunächst in der Frau (Juliette Binoche), die in der ersten Reihe sitzt, seine Frau vor sich zu haben und in dem Sohn, der die Frau begleitet, seinen Sohn. Erst nach der Lesung, die die Frau vorzeitig verlässt, realisieren wir, dass sich der Schriftsteller und jene in Italien lebende Französin sich bislang nicht kennen, dass sie sich aber für ihn zu interessieren scheint, obwohl sie, wie sie gegenüber ihrem Sohn eingesteht, das Buch stellenweise recht langweilig fand. Dennoch: Die beiden verabreden sich für den Nachmittag, bis zur Abfahrt des Zuges von James verbleiben einige Stunden, die der Mann und die Frau für einen Ausflug in ein kleines und natürlich recht malerisches Dorf in der Toskana nutzen.

Schon während der Fahrt schleichen sich kleine Misstöne in die Unterhaltung ein, Missverständnisse und Rechthabereien sorgen immer wieder für peinliche Pause und verletzte Emotionen. Und doch halten die beiden an ihrem Vorhaben fest, einfach ein paar nette Stunden miteinander zu verbringen. Irgendwann kippt die Situation rein zufällig, und aufgrund einer spontanen Eingebung beginnen die beiden, sich und ihrer Umwelt vorzuspielen, sie seien ein seit 15 Jahren verheiratetes Paar, deren Beziehung die ganz normalen Abnützungserscheinungen einer solchen Ehe zeigt. Je länger das Spiel andauert, desto mehr werden hinter den hypothetischen Gesprächen die realen Verletzungen und enttäuschten Hoffnungen sichtbar, erwachsen aus den Möglichkeiten und Eventualitäten echte Ansprüche aneinander und fast zwangsläufig Verletzungen. Am Ende landen die beiden in einem Hotelzimmer, doch ob aus dieser hypothetischen Beziehung eine echte wird, überhaupt werden kann, darüber lässt sich allenfalls spekulieren. Oder ist vielleicht doch alles ganz anders?

Es ist eine unbestreitbar schöne Idee, die Verwerfungen einer Ehe nicht anhand einer realen, sondern einer vermutlich erfundenen Beziehung zu zeigen. Der aus dem Iran stammende Regisseur Abbas Kiarostami macht aus diesem Einfall eine spritzig-leichte, manchmal etwas sehr wortreiche Sommerkomödie für die Toskana-Fraktion, in der der malerische Ort, der die Kulisse für das "Ehedrama" abgibt, zum dritten Hauptdarsteller wird. Die Liebesfälscher wirkt fast wie eine Variation von Richard Linklaters Before Sunrise für die Generation 40Plus. Als überaus gewitzte Komödie über die Liebe und die damit verbundenen Schwierigkeiten und gerade wegen mancher Widerborstigkeiten über Männer und Frauen und darüber, was die beiden eigentlich miteinander verbindet, hat der Film das Zeug, zu einem echten Publikumsliebling zu werden.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-liebesfaelscher-2010