Von Menschen und Göttern

Liebe ist stärker als die Angst

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Sie leben in Harmonie mit sich selbst und mit ihren muslimischen Nachbarn irgendwo im nordafrikanischen Atlas-Gebirge und sind aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft und ihrer medizinischen Kenntnisse in der bitterarmen Gegend sehr beliebt. Die meisten der aus Frankreich stammenden Trappistenmönche sind älter als 50 und werden von Bruder Christian (Lambert Wilson in seiner zweiten Rolle in einem Wettbewerbsbeitrag nach seinem Auftritt in Bertrand Taverniers La Princesse de Montpensier) geführt. Neben ihm ist vor allem der bereits betagte und asthmakranke Bruder Luc (Michael Lonsdale) bei den Bewohnern der Gegend beliebt, dennn er versorgt die Kranken und hat selbst für die Liebesnöten junger Mädchen stets ein offenes Ohr und einen väterlichen Ratschlag parat. Die Idylle der friedlichen Koexistenz ist jedoch bedroht durch die sich häufenden Anschläge radikaler Muslime, die Nordafrika Mitte der 1990er erschüttern. Als die Terroristen ein erstes Mal in das Kloster eindringen, kann Bruder Christian durch besonnenes Zureden das Schlimmste gerade noch einmal abwenden, doch es ist allen Anwesenden klar, dass die Eindringlinge bald wiederkommen werden. Was ist zu tun, wie soll die Gemeinschaft mit dieser allgegenwärtigen Bedrohung umgehen, das sind die Fragen, die Christian und seine sieben Mitbrüder von nun an Tag und Nacht umtreiben. Als die Mönche aus Nächstenliebe auch noch einen verletzten Terroristen medizinisch versorgen, kommen zu den Feindseligkeiten der Islamisten auch noch die Verdächtigungen und zunehmenden Drangsalierungen seitens des Militärs dazu, das die Mönche am liebsten außer Landes schaffen würde.
Zunächst entscheidet Bruder Christian für seine Mitbrüder, dass sie an Ort und Stelle bleiben und erntet dafür Kritik, weil es über die Frage "gehen oder bleiben" unterschiedliche Meinungen gibt. Doch je mehr sich die Lage zuspitzt, desto deutlicher wird auch den Zweiflern, dass sie berufen sind, an diesem Ort auszuharren, dass sie hier gerade in den schweren Zeiten ihre Bestimmung gefunden haben.

Xavier Beauvois Wettbewerbsbeitrag Des hommes et des dieux basiert, wie wir am Ende dieses sehr ruhig beobachteten Films erfahren, lose auf dem wahren Fall von sieben französischen Mönchen, die 1996 im algerischen Tibhirine entführt und getötet wurden. Doch es geht Beauvois nicht um eine exakte Nachzeichnung der tatsächlichen historischen Ereignisse, sondern vielmehr darum, anhand dieses Falles aufzuzeigen, wie Gemeinschaften und letzten Endes auch wir selbst mit Bedrohungen wie der Terrorgefahr umgehen können. Die Weigerung der Mönche, ihr Kloster zu verlassen, wird aber ausdrücklich nicht als Aufforderung zu märtyrerhaftem Verhalten dargestellt, sondern vielmehr als logische Folge eines Lebensstiles, der sich ausdrücklich zur bedingungslosen Liebe gegenüber den Mitmenschen verpflichtet hat. In Zeiten wie den heutigen, in denen die katholische Kirche ins Zwielicht geraten ist, wirkt die Darstellung solch eines tief gelebten Glaubens beinahe befremdlich und erscheint an manchen Stellen als nicht sehr glaubwürdig. Dennoch schafft es Beauvois, mit kraftvollen Schauspielern und ohne erzählerische oder inszenatorische Mätzchen eine stille, aber dennoch berührende Parabel über Toleranz und Mitmenschlichkeit in brutalen Zeiten zu kreieren, die im Palais de Festival mit lang anhaltendem Beifall bedacht wurde.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/von-menschen-und-goettern