Morning Glory

Auf dem absteigenden Ast

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Amerikas Nachrichtenwesen ist in der Krise. Was früher Qualitätsfernsehen war und hohe Zuschauerzahlen erreichte, ist heute Privileg für eine gebildete Minderheit geworden. In Roger Michells Komödie Morning Glory kennt Mike Pomeroy (Harrison Ford) die Lage nur zu gut: In jungen Jahren als begnadeter TV-Journalist gefürchtet, darf der Elite-Reporter, jetzt im hohen Alter, trotz millionenschwerem TV-Vertrags und einem feinen Näschen für politische Brisanz, nur noch wilde Enten auf einem Landgut schießen und in nostalgischer Lethargie an seine besten Zeiten im Journalismus zurückdenken. Als Anchorman und investigativer Journalist eines untergehenden Nachrichtensenders sind seine souveränen Qualitäten seit langem nicht mehr gefragt.
Die hoch dotierte Arbeitslosigkeit endet erst dann, als die Produzentin Becky Fuller (Rachel McAdams) den grummeligen Reporter mit einer ungewöhnlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme überrascht: Mike soll ein Morgenmagazin leiten, dessen Moderator vor kurzem abgesprungen ist. Für Mike Pomeroy ist es natürlich ein Graus, sein Gesicht für ein Format herzugeben, das er für den Untergang des Abendlandes verantwortlich macht. Kochsendungen präsentieren? Mit Kindern über den Schulunterricht sprechen? Die neusten Kosmetika bewerben? Nichts für den Vorzeigejournalisten. Insofern muss die hübsche Becky viel Überzeugungsarbeit leisten, um die Sache erfolgreich über die Bühne zu bringen.

Da Mike aber vertraglich gebunden ist, sieht er sich schließlich gezwungen, den Deal zu akzeptieren. Nun bleibt ihm nichts anderes übrig, als die mit fallenden Zuschauerzahlen kämpfende Morgensendung vor dem Absturz zu retten und dabei auch noch seinen Ruf nicht zu verlieren. Dass dem Journalisten alter Schule dies nicht leicht fällt, sollte nicht verwundern. Doch durch die turbulente Beziehung mit der engagierten Produzentin Becky, die im Vergleich zu Mike das Glas immer halbvoll sieht, wird der Elite-Reporter schließlich erkennen, dass das Leben nicht nur aus gut recherchierten Nachrichten besteht.

Morning Glory ist nicht nur ein Film über das fragile Verhältnis zwischen Privatleben und Karriere. In erster Linie ist diese Komödie ein leiser, versteckter Kommentar auf die Eruptionen im Nachrichtenwesen in der amerikanischen Fernsehlandschaft. Man muss wissen, dass Amerika sich in einer Umbruchphase befindet, in der boulevardeske Skandale bei der Lancierung tagesaktueller Themen immer mehr Gewicht bekommen, während weltpolitische Ereignisse in den Hintergrund geraten. Sie sind schlicht zu langweilig geworden.

Als Symptom dafür lässt sich der Erfolg der liberalkritischen Nachrichtensendung Fox News festmachen, die den Slogan Barack Obamas der "sozialen Gerechtigkeit" je nachdem als Kommunismus oder Nazi-Propaganda diskreditiert, dabei gegen einen vermeintlichen Weißenhass der Regierungsspitze wetternd. Es geht nicht mehr um Analysen und Fakten, es geht nur noch um Klatsch und sensationsfähiges Material. CNN, einst seriöser Sender und größter Konkurrent von Fox News, vermag mittlerweile nur noch ein Drittel der Einschaltquoten zu gewinnen, die sein Pendant im Durchschnitt erzielt.

Der Spagat zwischen Medienkritik und Vater-Tochter-Erstaz-Geschichte gelingt dem südafrikanische Regisseur Roger Michell nicht immer, und trotzdem ist Morning Glory ein sehenswerter Film, der erfolgreich über den Tellerrand hinaus zu blicken vermag. Was enttäuscht, ist Harrison Fords darstellerische Leistung: Irgendwie wirkt er in seiner Rolle gekünstelt, unnatürlich und seiner Figur gegenüber distanziert. Doch die bezaubernde Rachel McAdams kann dieses Defizit mit ihrem unverkennbaren Charme wieder ausgleichen, so dass man am Ende tatsächlich glaubt, dass sich hier zwei gefunden haben, die zusammen gehören.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/morning-glory