Am Anfang war das Licht

Satt werden, ohne zu essen

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Es klingt unglaublich: Der indische Yogi Prahlad Jani soll sich seit mehr als 70 Jahren von Licht "ernähren" - er nimmt weder Nahrung noch Flüssigkeit zu sich. Berichte über Menschen, die über Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte nichts essen, gibt es immer wieder. Aber sie sind im öffentlichen Bewusstsein wenig präsent. Der österreichische Regisseur P.A. Straubinger hat deshalb die Zeugnisse über das Phänomen der „Lichtnahrung“ in einer beeindruckenden Dokumentation zusammengestellt.
Woher beziehen Menschen, die nichts essen, ihre Energie und Nährstoffe? Das weiß niemand genau, ein definitives Erklärungsmuster gibt es nicht. Die Anhänger der Lichtnahrung glauben, dass sie fähig sind, wie eine Pflanze die Energie des Lichts auf direktem Wege zu nutzen. Sie gehen davon, aus, dass sie per Bewusstseinsveränderung ihre Körperfunktionen entsprechend umstellen können.

Auf derartige Theorien mag man unterschiedlich reagieren. Entweder man legt sie als Humbug ad acta. Oder man wird neugierig. So wie P.A. Straubinger. Der stellt zu Beginn seines Films klar, dass auch er die Berichte über Lichtnahrung zunächst nicht geglaubt habe. Doch dann hat er Menschen besucht, die das praktizieren. Hat Fragen gestellt und Antworten bekommen, die zu neuen Fragen führten und damit zu neuen Reisen und neuen Gesprächspartnern.

Genauso gestaltet der Filmexperte und Kritiker des Österreichischen Rundfunks (Ö 3) auch seinen Debütfilm. Er entführt den Zuschauer in unbekanntes Terrain und strukturiert die Etappen der Erkundung dabei so, dass die Fragen eines interessierten Skeptikers zu ihrem Recht kommen. Zuerst also will man die Menschen überhaupt einmal kennen lernen, die behaupten, vom Licht zu leben. Dann mag man fragen, was die westliche Wissenschaft zu solchen Phänomenen sagt. Und wenn die High-Tech-Medizin eine Art empirischen Beweis findet, möchte man wissen, wie die seltsamen Fakten zu erklären sind.

Straubinger trifft bei seiner spannenden Reise zwar ständig auf Menschen, die als Esoteriker gelten. Aber er nimmt selbst keine esoterische Haltung ein. Seine Position ist die eines wohlwollend Fragenden, der deutlich durchblicken lässt, dass für ihn das materialistische Weltbild der modernen Wissenschaft zu kurz greift. Aber er lässt die Argumente, die gegen die "Lichtnahrung" sprechen, nicht unter den Tisch fallen. Und macht die Vertreter der Schulmedizin auch nicht lächerlich.

So hat Straubinger keine Hemmungen, von den Todesfällen zu berichten, die eingetreten sind, nachdem Menschen die 21-Tage-Methode der australischen Bestseller-Autorin Jasmuheen ausprobiert hatten. Hier soll man in den ersten sieben Tagen weder essen noch trinken, erst am achten Tag ist die Flüssigkeitsaufnahme erlaubt. Das ist höchst umstritten. Sogar ein bekannter Fastenbefürworter wie Rüdiger Dahlke hält den Verzicht aufs Trinken für sehr gefährlich.

Am Anfang war das Licht schafft das Kunststück, unterschiedliche Meinungen gegeneinander zu stellen, ohne im Chaos der Beliebigkeit zu landen. Der Film verfolgt das klare Anliegen, das herrschende wissenschaftliche Denken zu erschüttern. Doch er ersetzt nicht einfach eine Doktrin durch eine andere. Sondern gibt die Mittel an die Hand, sich sein eigenes Bild zu machen. Nur vor einem muss gewarnt werden. Die Dokumentation soll keine Aufforderung sein, nur noch von Licht und Liebe zu leben. Selbst die Anhänger der Lichtnahrung gegen davon aus, dass das nicht bei jedem funktioniert. Schon gar nicht ohne die richtige geistige Vorbereitung. Sonst wäre das Hungerproblem dieser Erde längst gelöst.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/am-anfang-war-das-licht