Die Hummel

Charmante Verlierer

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Welche Note würden Sie Ihrem Leben geben? So lautet die Frage an die unglücklich verheiratete Mitarbeiterin der Reklamationsannahme. Bei ihr wäre es wohl nicht mehr als eine Drei minus. Im Schulunterricht galt das noch als gute Note. Aber im Leben? Da wird es wohl Zeit, dem Glück ein wenig nachzuhelfen. Und genau das tut Regisseur Sebastian Stern in seiner charmanten Tragikomödie über ein ganzes Ensemble von Verlierern.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Handelsvertreter Pit Handlos (Jürgen Tonkel). Er hat einen miesen Job, aber das weiß er (noch) nicht. Der Endvierziger verkauft überteuerte Kosmetik in einem teuflischen Schneeballsystem. Um Geld zu verdienen, muss er nicht nur seine Produkte loswerden, sondern ständig neue Wiederverkäuferinnen anwerben. Also macht sich der smarte Charmeur auf den Weg zu ehemaligen Jugendbekanntschaften, angeblich, um persönliche Freundschaften aufzufrischen. Irgendwann während des Kerzenscheindinners legt er dann den riesigen Silberkoffer mit den ganzen Cremes und Schminkutensilien auf den Tisch. Nur bei Christiane (Inka Friedrich) will die Abzocke nicht gelingen. Da ist einfach noch zu viel Gefühl aus alten Zeiten im Weg.

Was nun passiert, beleuchtet die Anekdote von der titelgebenden Hummel sehr schön. Die Hummel ist eigentlich zu schwer zum Fliegen. Aber weil sie nicht darüber nachdenkt, fliegt sie einfach. Pit Handlos war in den letzten Jahren eine Hummel. Einer, der in einem trostlosen, aber konsumgeilen Leben funktionierte, weil er sich keine Gedanken machte. Aber damit ist es langsam vorbei.

Pit Handlos ist nicht der einzige, der in seinem Leben zu kurz gekommen ist. In einem geschickt geknüpften Beziehungsnetz setzt Die Hummel Veränderungen in Gang, bei denen ein kleiner Schritt des einen unweigerlich die Bewegung der anderen nach sich ziehen muss. In seinem flüssigen und mit Bildwitz gewürzten Langfilmdebüt lässt Sebastian Stern jedoch keinen Zweifel an der Schmerzhaftigkeit und Langwierigkeit solcher Lernprozesse. Manchmal meint man gar, man müsse sich auf die Leinwand begeben und ein wenig nachhelfen – so sehr stehen sich Christiane und Pit sowie Pits Sohn Flo und dessen Freundin selbst im Weg.

Aber es ist gerade diese Zähigkeit (nur auf der Handlungs-, nie auf der Inszenierungsebene), die den Film so realistisch macht. Wie einfach wäre es gewesen, einen geradlinigen Emanzipationsprozess in Gang zu setzen und eine kleine Revolution anzuzetteln gegen die in der Tat immer übler werdenden Jobs, die die moderne Arbeitswelt zu bieten hat. Die Hummel verzichtet darauf zugunsten eines liebevollen Humors, der die Protagonisten zunehmend befähigt, auch über sich selbst zu lachen. Ob die Veränderungen, die sie in Gang setzen, von Dauer sein werden – darüber kann man trefflich spekulieren. Nur eines ist unumkehrbar: Hummeln werden sie nie mehr sein. Den Job macht nun ein anderer.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-hummel