The Social Network

Am Puls der digitalen Welt

Eine Filmkritik von Annette Walter

Es gibt zwei Sorten von Menschen: die Facebook-Hasser und die Facebook-Junkies. Während der Facebook-Hasser mit der ganzen Scharlatanerie nichts am Hut haben will und die Internetseite für den Totengräber der Privatsphäre hält, loggt sich der Facebook-Junkie vor dem Frühstück ein, checkt auf dem Weg ins Büro die Statusmeldungen auf seinem iPhone und postet im Büro Veranstaltungen, für die er via virtuellem Netzwerk Partyeinladungen an seine 300 Freunde versendet.
Sowohl Hasser als auch Junkies werden The Social Network, die fulminante Rückkehr von Regisseur David Fincher, lieben, denn es handelt sich um einen der brillantesten Filme, den das Mainstream-Kino 2010 hergegeben hat. The Social Network touchiert den digitalen Lifestyle en passant, um dann eine viel fundamentalere Geschichte zu erzählen, eine von Anarchie, Leere, Freundschaft, Verlust und Macht. Der Film basiert auf dem Buch The Accidental Billionaires von Ben Mezrich und erzählt die Geschichte des Facebook-Erfinders Mark Zuckerberg. Zuckerberg ist heute 26 Jahre alt, Milliardär und hatte wenig Lust auf ein ihm gewidmetes Hollywood-Biopic. Zum Glück juckte das Fincher und seinen hervorragenden Drehbuchautoren Aaron Sorkin wenig.

Bei Facebook geht es laut Sorkin darum, eine idealisierte Version seiner selbst zu erfinden. Und das ist auch der Grund, wieso sich Ober-Nerd Mark Zuckerberg nach einem desolaten Date mit Freundin Erika, der fantastischen Eröffnungsszene, eine der unterhaltsamsten Ich-mache-Schluss-mit-meinem-Freund-Szenen der letzten Filmjahre, an seinen PC setzt. Heraus kommt etwas, das, nun ja, die Kommunikation gehörig durcheinander wirbelt. Doch mit der Erfindung von Facebook gehen für Zuckerberg die Probleme erst los. Rechtsstreitigkeiten um die Urheberschaft mit Harvard-Komilitonen, Scherereien im eigenen Freundeskreis, Machtkämpfe im Start-Up-Loft - es ist kein Spaß, der jüngste Milliardär der Welt zu sein.

Jesse Eisenbergs Darstellung von Zuckerberg als grandios-undurchschaubarem und arrogant agierendem Anti-Helden, der die eigene intellektuelle Cleverness in jeder Dialogzeile ausspielt, macht The Social Network zu einem Ereignis. Die Ironie seiner Darstellung: Diesen schnöseligen und rechthaberischen Besserwisser, der geistige Vater des weltgrößten Freundschaftspflegetools, möchte man ganz bestimmt nicht als Facebook-Freund adden.

The Social Network illustriert den gesellschaftlichen Paradigmenwechsel, den Facebook einläutete. Während man früher als eigenbrötlerischer Nerd galt, wenn man mehr Zeit vor dem PC als auf dem Tennis- oder Fußballplatz verbrachte, widmet man die Zeit vor dem Laptop heute der kommunikativen Interaktion. Die Nerds haben ihr Außenseiter-Image verloren.

Hervorragend ist der Film auch aufgrund der dramatischen Qualität von Sorkins Drehbuch. Er schafft es, einen drögen Sachverhalt mit virtuoser Raffinesse zu erzählen. Verschiedene Handlungsstränge und Sichtweisen werden miteinander verwoben. Auf die Präsentation einer absoluten Wahrheit wird verzichtet. Die Protagonisten sind weder schwarz noch weiß, sie sind komplex, ausdifferenziert, meist unbegreiflich, kurzum: menschlich.

The Social Network porträtiert den Zeitgeist der Anything-Goes-Internetära gekonnt. Er entwickelt von Anfang an ein rasantes Tempo, brilliert durch eine Szenenabfolge von großer Dynamik und lässt sich bis zum Finale durch nichts bremsen. Unterhaltsam sind die Dialoge voller Wortwitz und Eloquenz. Netter Gag: Justin Timberlake als Sean "Napster" Parker. Gewiss, auf der ästhetischen Ebene birgt The Social Network getreu dem Motto "Form follows function" nichts Neues, sondern agiert auf solidem Terrain. Aber das macht er sehr gut.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-social-network