Serengeti

Serengeti darf nicht sterben

Eine Filmkritik von Lida Bach

"Weites Land" nannten die Massai die sich bis zum Horizont erstreckende afrikanische Savanne. In abgewandelter Form trägt die Serengeti noch heute ihren Urnamen. Von den nördlichen Grenzen Tansanias und den Viktoria-Fällen erstreckt sich die Grassteppe bis nach Kenia. Im Herzen der kilometerweiten Savanne liegt der fast 15.000 Quadratkilometer große Serengeti-Nationalpark, der seit 1981 zum UNESCO Weltnaturerbe zählt. In einzigartigen Bildern fängt Reinhard Radke die atemberaubende Schönheit von Landschaft und Tierwelt in seinem Dokumentarfilm Serengeti ein.
Gnus und Antilopen begleitet er auf der gefahrvollen Wanderung durch die Steppe. Im Schatten der Vulkane gehen Regenbrüche und Gewitter auf die gigantischen Herden und die Raubtierfamilien, die ihnen folgen, nieder. In unaufdringlicher Weise bricht Serengeti mit dem konventionellen Schema des Naturfilm-Genres. Reinhard Radke verzichtet auf die drolligen Kommentare und Vermenschlichung der Tiere, die in Naturfilmen von Klassikern wie Die Wüste lebt bis hin zu jüngeren Werken wie Wächter der Wüste eine bis an die Schmerzgrenze verniedlichte Natur zeigen. Die grandiosen Kameraaufnahmen fangen den rauen Überlebenskampf auf den entbehrungsreichen Wanderungen durch das "weite Land" ein. Der ernsthafte Unterton des schnörkellos und realistisch gefilmten Naturdramas machen Serengeti besonders für ein kindliches Publikum spannend. Anders als die Mehrheit der auf bombastische Schaueffekte abzielenden IMAX – Filme suggeriert Radkes Dokumentarfilm nicht, der Mensch habe zum Einklang mit der Natur gefunden.

Die Spuren, denen Radke mit seinem Filmteam folgt, sind nicht nur die von Gazellen und Geparden. Seine Naturdokumentation inszeniert er im Geist von Michael und Bernhard Grzimeks Serengeti darf nicht sterben. So eindrucksvoll wie der 1959 vollendeter Meilenstein des Naturfilms, vermag Serengeti nicht zu sein. Die mit dem Oscar ausgezeichnete Reportage Michael Grzimeks und seines Vaters öffnete als einer der ersten Kinofilme einem breiten europäischen Publikum die Augen für die bedrohte Natur der Savanne. Die Großwildjagd, welche mit der Kolonialisierung Tansanias über die Serengeti hereinbrach, dezimierte zahlreiche Arten bis an den Rand der Ausrottung. Umweltzerstörung, Dürre und der Mensch sind die eigentlichen Gefahren, welche den Tieren drohen. Radke erinnert an die Dramatik der Umweltbedrohung und verweist gleichzeitig auf die sozialpolitische Problematik in der Serengeti. Die vor der Kolonialisierung hier in Einklang mit der Natur lebenden Massai wurden aus ihren in Lebensgebieten in den Nationalparks vertrieben. Nach wie vor ist der schwelenden Konflikt zwischen Naturschutz und den Rechten der Einheimischen ungelöst.

Die historische Problematik hält Radke dezent im Hintergrund. Sein Hauptaugenmerk gilt dem ökologischen Reichtum der Serengeti. Die einmaligen Szenen seiner trotz ihrer Länge nicht schleppenden Naturdokumentation mahnen, dass Grzimeks Filmtitel weiterhin gilt. Die Savanne lebt – wenn auch in Zukunft für ihren Schutz gekämpft wird.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/serengeti