Live aus Peepli - Irgendwo in Indien

Das Schicksal eines indischen Bauern

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Eine bittere Bilanz: Mehr als 200.000 indische Bauern begangen in den letzten zehn Jahren Selbstmord. Das sind die offiziellen Zahlen der indischen Kriminalitätsstatistik, – Selbstmord gilt in Indien als strafbar – die Dunkelziffer mag bei rund 600 Millionen Landarbeitern durchaus höher sein. Ausbleibende Ernten, hohe Schulden und ein Leben weit unter der Armutsgrenze sind die Hauptgründe für die hohe Selbstmordrate.
Mit dieser düsteren Problematik befasst sich Anusha Rizvis Debütspielfilm Live aus Peepli – Irgendwo in Indien. Der Film erzählt die Geschichte des Bauern Natha (Omkar Das Manikpuri), der mit seiner Familie, seiner Mutter und seinem Bruder in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land lebt. Weil Nathas Land zwangsversteigert werden soll und der Familie damit die Lebensgrundlage entzogen wird, drängt ihn Nathas Bruder Budhia (Raghubir Yadav) zum Selbstmord. So würde seine Familie von einem Regierungsprogramm profitieren, das den Hinterbliebenen eine Entschädigung von 100.000 Rupien (ca. 1.600 Euro) zahlt.

Natha willigt ein und wird zum Spielball einer Lawine von Ereignissen. Über den Lokalreporter Rakesh (Nawazuddin Siddiqui) gelangt die Story über den geplanten Selbstmord an die Öffentlichkeit. Weil lokale Wahlen vor der Tür stehen, wird die Nachricht zum Top-Thema der Medien und Politiker, die daraufhin in Nathas verschlafenes kleines Dorf Peepli scharenweise einfallen. Was ein Bauernselbstmord unter Tausenden hätte sein können, wird zu einem Skandal, von dem jeder profitieren will.

Die Tragik des Selbstmordes gerät während des Films eher in den Hintergrund. Vielmehr rechnet die Regisseurin mit der Sensationsgier der Medien, den willkürlichen Entscheidungen der indischen Politik und der schamlosen Korruption in ihrem Land ab. Sie hat daraus eine Tragikomödie gemacht, die sich irgendwo zwischen Mainstream-Bollywood- und indischem Independent-Kino einordnen lässt. Als ehemalige Journalistin hat sie ihre eigenen Erfahrungen eingebracht. Indische Filmfans werden beim Namen Aamir Khan (Ghajini, Three Idiots) aufhören, einer der indischen Superstars, der den Film produziert hat.

Manchmal fühlt man sich in dem Film etwas verloren, was wohl daran liegt, dass zu viele Aspekte gleichzeitig abgearbeitet werden. Da sind die armen Bauern, das Thema Bauern-Selbstmord, die sensationsgierigen Medien, die als sehr dumm hingestellten Politiker (sie kommen am schlechtesten Weg im Film) und am Ende wird noch ein Schwenk zur Stadtbevölkerung gemacht, zur Problematik der Landflucht, dem Leben im Slum und der nächsten Ausweglosigkeit. Es wäre interessant gewesen, etwas mehr über die Hintergründe des Landlebens zu erfahren, warum das Land von Natha versteigert werden soll, die Gründe für den geplanten Selbstmord. Tatsächlich leiden die indischen Bauern unter schwierigen Bedingungen: Das Saatgut ist zu teuer, die Böden mittlerweile unfruchtbar durch zu einseitige Bepflanzung. Das trockene Klima macht ihnen zu schaffen.

Dennoch lohnt es sich Live aus Peepli – Irgendwo in Indien anzuschauen, da der Film die indischen Verhältnisse sehr gut einzufangen weiß. Wer selbst schon einmal in Indien war, wird die teilweise sehr chaotischen Zustände schnell wiederentdecken. Köstlich ist der Humor, zum Beispiel wenn es um den Freiluft-Toilettengang geht. Der Film ist ein interessantes Abbild Indiens von Heute. Ob es die Sichtweise der Bauern authentisch widerspiegelt, sei dahin gestellt.

Live aus Peepli – Irgendwo in Indien geht als offizieller Kandidat für Indien ins Rennen um den Oscar für den Besten fremdsprachigen Film. Drücken wir ihm die Daumen!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/live-aus-peepli-irgendwo-in-indien