Drei

Körperwelten

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Es hat etwas gedauert, bis Tom Tykwer wieder einen deutschen Film gedreht hat. Zuvor hat sich der Regisseur mehr den großbudgetierten Projekten wie The International oder Das Parfum gewidmet. In Drei erzählt er eine erotische Berliner Dreiecksbeziehung, zwischen der Fernsehmoderatorin Hanna (Sofie Rois), ihrem Mann (Sebastian Schipper) und einem Gentechniker (David Striesow).
Drei ist kein Film, der sich leicht zusammenfassen lässt. Alle Abkürzungen würden ihn schlecht aussehen lassen. Außerdem ist der eigentliche Plot das schwächste Glied dieses Werkes. Visuell kehrt Tykwer mit Drei zurück zu jener collagehaften Splitscreen-Ästhetik, für die ihn Lola rennt weltberühmt machte. Ganz so wild und konsequent ist sein neuer Film zwar nicht und dennoch besitzt er eine Menge stilistischer Feinheiten, die nachhaltig beeindrucken.

Die bemerkenswerten Splitscreen-Montagen gehören sicherlich zu den optischen Höhepunkten in Drei. Tykwer nutzt sie zum einen, um seine Figuren und ihren Alltag vorzustellen. Zum anderen, um Handlungsstränge zu raffen und zu pointieren. So zeigt er zum Beispiel auf diese Art verspielt eine Hodenoperation. Oder den Tod einer Mutter, um ihn mit der schicksalhafte Bedeutung der Zahlen drei und neun zu verknüpfen. In diesen Momenten erreicht Drei jenen technogetriebenen Fluss, den schon Lola rennt so bekannt gemacht hat.

Aber Tom Tykwers neuster Film hat noch viel mehr zu bieten. Mit Hermann Hesse zitierenden Engeln, im Berliner Mauerpark nach Öl bohrenden Künstlern, ungeborenen Föten und einer schwarz-weißen Sequenz einer Todeskutsche, zitiert der Regisseur direkt Vorbilder wie Ingmar Bergmann, Stanley Kubrik und Wim Wenders. Und im Mittelpunkt dieser Geschichte steht die fabelhafte Theaterschauspielerin Sophie Rois, die in Drei ihre erste größere Hauptrolle spielt. Es ist fantastisch, dass Rois ihren doppelbödigen Humor, der sie auf der Bühne einzigartig macht, vor der Kamera beibehält. Man ist sich nie ganz sicher, ob sie gerade ernsthaft ihre Rolle verkörpert oder sich über das eigene Verhalten lustig macht.

Überhaupt hat sich Tykwer wohl bewusst an Elementen des zeitgenössischen Theaters versucht. So spielt in Drei das Sprechen und die Sprache eine große Rolle. Immer wieder durchfluten den Film ganze philosophische Textpassagen, die von den verschiedenen Figuren rezitiert werden. Von Spinoza bis Robert Wilson reicht die Palette. Exkurse über die Unmöglichkeit der Liebe, die ethischen Grenzen von Genforschung, den Tod, die Kultur und die Rezeption der Wirklichkeit bekommen in diesem Film ein Eigenleben. Da ist es nur konsequent, dass Sophie Rois selbst den Beipackzettel eines Schwangerschaftstest laut vorliest.

Irgendwie kann man nach einer Projektion noch nicht komplett hinter die Idee des Films steigen. Wenn sich Tykwer bewusst über die deutsche Pseudointellektualität lustig macht, indem er zeigt, dass selbst der liberale Prenzlauer Berg aussehen kann, wie die vollkommene Leere, dann ist ihm mit Drei ein ziemlich großer Wurf gelungen. Niemand in diesem Film weiß, was er will. Es herrscht die totale Orientierungslosigkeit einer Gesellschaft, die sich hinter abstrakten Ideen und Diskursen versteckt. Sollte Drei allerdings ernst gemeint sein und seine bisexuelle, genderfreundliche Liebesgeschichte wirklich glauben, dann ist Tykwer über alle Maßen gescheitert. Das abschließende Urteil muss sich dann wohl jeder selbst bilden.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/drei