Cato

Das kurze und widerständige Leben der Cato Bontje van Beek

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Sie gehört bis heute zu den weitgehend vergessenen Heldinnen des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus und steht im Schatten von Sophie Scholl. Denn wer außer einer Handvoll Experten hat bislang je etwas von Cato Bontjes van Beek gehört? Dagmar Brendeckes Film Cato macht sich auf Spurensuche nach einer jungen Frau, aus deren Leben es keinerlei bewegte Bilder gibt. Das Ergebnis ist ein streckenweise sehr poetischer Dokumentarfilm, bei dem die Tagebuchaufzeichnungen der jungen Frau das Leben im Nationalsozialismus plastisch wieder auferstehen lässt.
1920 im idyllischen kleinen Örtchen Fischerhude nahe Bremen als Tochter eines Keramikers und einer Tänzerin geboren, wächst Cato in einer freien und kunstsinnigen Umgebung auf. 1933, als die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, lassen sich die Eltern scheiden, der aus den Niederlanden stammende Vater zieht daraufhin nach Berlin, seine älteste Tochter wird ihm ebenso wie ihre jüngere Schwester Mietje einige Jahre später in die Großstadt folgen. Der allgemeinen Begeisterung für den Nationalsozialismus steht sie ebenso skeptisch gegenüber wie ihr Vater, der in seiner Werkstatt Verfolgten des Regimes Unterschlupf gewährt. Zwar tritt Cato dem NS-Fliegerbund bei, um weiter ihrer Leidenschaft fürs Fliegen frönen zu können, doch die Organisation ist für Frauen wie sie eine der wenigen Möglichkeiten, Hobbys wie dieses zu pflegen und auszuüben.

Überhaupt passen Cato und Mietje nicht so recht in das neue, gleichgeschaltete Bild der "deutschen Frau", wie dies den Nationalsozialisten vorschwebt: Die beiden Schwestern begeistern sich für die Lyrik von Rimbaud und Verlaine und tragen Baskenmützen, die nach außen hin ein deutlich sichtbares Zeichen setzen: "Seht her, wir wollen nicht dazu gehören." Es ist ein Balanceakt, doch Cato und Mietje können nicht anders. Sie sind viel zu frei aufgewachsen, um sich nun dem Diktat der Nationalsozialisten zu unterwerfen.

Als der Krieg ausbricht, engagiert sich Cato gegen die Nazis, sie versorgt gemeinsam mit Mietje Kriegsgefangene, die durch die Reichshauptstadt transportiert werden, mit Lebensmitteln. Später lernt sie Libertas Schulze-Boysen kennen, deren Mann Harro als Oberstleutnant im Reichsluftfahrtministerium genaue Kenntnis vom tatsächlichen Kriegsverlauf und den Gräueln der Einsatzgruppen hat. Als Cato den Lyriker Heinz Strelow trifft, werden die beiden ein Paar und engagieren sich gemeinsam mit den Schulze-Boysens und anderen Mitgliedern der "Roten Kapelle" im Widerstand, wobei das lose, aus unterschiedlichen Gruppierungen bestehende Netzwerk keineswegs nur aus Kommunisten bestand, sondern Unterstützer ganz unterschiedlicher Herkunft umfasste.

Cato und Heinz erstellen und verteilen unter Einsatz ihres Lebens Flugschriften, die das deutsche Volk zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten aufrufen und auf die Kriegsverbrechen aufmerksam machen. Durch die Entschlüsselung von Funksprüchen gelingt es der Gestapo im September 1942, auf einen Schlag mehr als 120 Mitglieder der "Roten Kapelle" zu verhaften, zahlreiche der Inhaftierten werden im Dezember 1942 zum Tode verurteilt. Bis zum Sommer 1943 wurden weitere 80 Personen aus dem Umfeld des Kreises inhaftiert, Cato wurde am 5. August 1943 gemeinsam mit 15 weiteren Verurteilten hingerichtet.

An manchen Stellen kommt die Schwäche des Films, seine vergebliche Suche nach beredten Bildern allerdings doch zum Tragen, indem beispielsweise Catos Aufzeichnungen ihres ersten Loopings als Fliegerin mit einer auf dem Kopf stehenden Welt illustriert werden. In Momenten wie diesen und manch anderen merkt man, wie schwierig die adäquate Umsetzung einer beinahe vergessenen, aber dennoch nicht weniger beeindruckenden Persönlichkeit wie jener von Cato Bontje van Beek sein kann – wenn Bilder der porträtierten Person fehlen, wirken die Konstruktion zur Füllung dieses Vakuums manchmal auf seltsame Weise banal und machen so den Mangel umso stärker bewusst. Dank der von Anna Thalbach gesprochenen Tagebucheinträge gelingt es dem Film dennoch auf sehr ruhige und bedächtige, am Ende auch sehr emotionale Weise, das kurze Leben dieser beinahe vergessenen, mutigen jungen Frau nachzuzeichnen.

Die eigentliche Ungeheuerlichkeit aber, die für einen starken dramaturgischen Spannungsbogen hätte sorgen können, erfährt man eher am Rande und ganz zum Schluss des Filmes: Der viele Jahrzehnte andauernde Kampf der Familie um eine Rehabilitierung Catos, der erst 1998 dafür sorgte, dass das Todesurteil gegen die Widerstandskämpferin offiziell aufgehoben wurde. Von den beteiligten Anwälten und Richtern wurde kein einziger wegen seiner Vergehen zur Rechenschaft gezogen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/cato