Phase 7

Das Haus in Plastik, die Welt leer

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Coco (Daniel Hendler) ist eher ein Slacker als ein Macher; beim Einkaufen besorgt er nur eine einzige neue Glühbirne und ist selbst dann noch zu faul, zu testen, ob sie auch funktioniert, als die Verkäuferin ihn direkt danach fragt. Als dann aber ein tödlicher Virus auftaucht und das Mietshaus, in dem er mit seiner schwangeren Freundin Pipi (Jazmin Stuart) wohnt, unter Quarantäne gestellt wird, entwickelt er ganz ungeahnte Qualitäten.
Nun ist nämlich er es, der vom ersten Moment an über die Vorräte Buch zu führen beginnt. Weil aber die eine gekaufte Glühbirne tatsächlich defekt ist, bekommt er von Nachbar Horacio (José "Yayo" Guridi) Nachschub. Dieser hat nämlich in einem eigenen Zimmer für einen solchen Fall vorgesorgt – in der Viruserkrankung, die das ganze Land im Griff hat, sieht er einen bewussten Akt – die siebte Phase der Infektionsausbreitung –, mit dem die Überbevölkerung in den Griff bekommen werden soll.

Um Verschwörungstheorien selbst geht es in dem Debütfilm von Nicolás Goldbart dennoch nur am Rande – ob die von der siebten Phase, von der Horacio spricht, eine diegetische Realität abbildet, auf diese Frage lässt sich Fase 7 gar nicht erst ein. Stattdessen konstruiert er ein Szenario, in dem es um das Mit- und Gegeneinander geht, um die Furcht vor Ansteckung und das Unvermögen der Menschen – vor allem der Männer –, ohne Vorbehalte miteinander zu kommunizieren.

Das Problem des Films ist dabei nicht, dass er dieses Konzept nicht in eine schlüssige Geschichte gießen könnte oder dass ihm nicht einige bemerkenswerte Momente gelängen. Aber Goldbart findet keinen stimmigen Ton, der sich durch den Film ziehen würde, keine klare Stimme. Auf dem Filmfestival in Sitges wurde der Film als "apokalpytische Komödie" angekündigt, das verfehlt er aber fast vollständig. Zwar gibt es eine Reihe von komischen Momenten, aber eben auch Ausbrüche wüster Gewalt, die zwar durch eine dem Bodyhorror entliehene Splatterästhetik möglicherweise schwarzhumorig gedacht sein mag – im Kontext des Films wirkt sie eher verstörend.

Aber auch daraus zieht Goldbart eben keinen Gewinn: Die verstörenden Momente bleiben Einzelfälle, der Film hat keine Bedeutungsebene, die über das unmittelbare sichtbare, über die gezeigte Situation hinausgeht. Den Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Überlebenden etwa, die in einem grotesken, an den Western erinnernden Shootout in der Tiefgarage gipfeln, lässt sich zwar durchaus eine politische oder gesellschaftliche Botschaft zuschreiben – über die reine Beobachtung des Problems findet der Film aber nicht hinaus. Zugleich ist er auch nicht mutig genug, das Scheitern der Kommunikation bis zu ihrem logischen, unbarmherzigen Ende zu denken.

Stattdessen fährt Fase 7 immer zweischneidig. Einerseits stellt der Film die Verschwörungstheorien und die militaristische Vorbereitung von Horacio als übertriebenes Verhalten eines paranoiden Einzelgängers dar, andererseits validiert die Handlung genau dieses Verhalten als das einzige im Angesicht der Apokalypse sinnvolle – und Coco übernimmt es, ganz der gelehrige Schüler, immer mehr.

Goldbart kombiniert in seinem Film eine ganze Reihe von Topoi des apokalyptischen Films – Pipi ist schwanger, eine im Haus wohnende, aber wohl abwesende asiatische Familie ist ein freundliches Nicken in Richtung des spanischen [REC]. Aber keiner dieser Umstände hat irgendeine Bedeutung, aus der Zusammenstellung des Bekannten ergibt sich kein originelles Neues. Stattdessen gibt es zwar solide, aber letztlich uninteressante Szenenfolgen, die auch aus den räumlichen Gegebenheiten – das Haus in Plastik eingeschlossen, die Welt draußen aber zunehmend entvölkert – kein wirkliches inszenatorisches Kapital zu schlagen wissen, weder aus der unheimlichen Leere draußen noch der beklemmenden Enge innen.

Das ist umso irritierender, als der Film über große Teile in Horacios und Cocos Apartments sowie im Treppenhaus des Hauses spielen. Aber selbst dort, wo sich der eher wenig selbstbewusste Coco immer mehr zum Patriarchen aufspielt, findet der Film keinen Stoff für Konflikte und Entwicklung, schlimmer noch: Er reproduziert diese Rolle ohne jede Form von Brechung und Reflektion.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/phase-7