Paul - Ein Alien auf der Flucht

Der Außerirdische von nebenan

Eine Filmkritik von Florian Koch

Spätestens seit ihren Erfolgen mit Shaun of the Dead und Hot Fuzz gelten sie als die Darlings der britischen Komikerszene. Simon Pegg und Nick Frost. Bisher immer an ihrer Seite: Der Regisseur Edgar Wright. Gemeinsam mit Pegg verfasste er auch die anspielungsreichen, wunderbar originellen Drehbücher zu ihren gemeinsamen Filmerfolgen. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis das Triumvirat eigene Projekte entwickeln würde. In Hollywood kam es dann zur kurzfristigen Trennung. Wright inszenierte sein 60 Millionen Dollar teures in der Computerspielwelt angesiedeltes Traumprojekt Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt, während Pegg und Frost sich für die Alien-Komödie Paul - Ein Alien auf der Flucht entschieden. Gemeinsam schrieben die beiden Freunde auch das Drehbuch zu dem charmanten Roadmovie, die Regie überließen sie aber dem US-Amerikaner Greg Mottola (Superbad, Adventureland).
Die beiden britischen Kumpels Graeme (Simon Pegg) und Clive (Nick Frost) sind Nerds im klassischen Sinn und als solche müssen sie unbedingt einmal die Comic-Con in San Diego besuchen. Hier wimmelt es von ihresgleichen: Science-Fiction-Fans in Star Wars- oder Star Trek-Outfits, die zu ihrer Fanliebe auch stehen. Aber Graeme und Clive ist das noch nicht genug: Wenn sie schon den weiten Weg aus England auf sich genommen haben, wollen sie mit dem Wohnmobil auch noch die berühmtesten Alien-Touristenattraktionen in den USA besuchen. Irgendwo auf dem Weg zwischen der Area 51 und Roswell beobachten die beiden einen Unfall. Als sie anhalten, steht vor ihnen doch glatt ein wirkliches Alien, das mit den Mandelaugen und dem großen Kopf nicht nur aussieht, als wäre es einem Hollywoodfilm entsprungen, sondern auch noch ihre Sprache spricht. Der amüsierte Außerirdische stellt sich den verdutzten Briten als Paul (deutsche Stimme: Bela B) vor und begleitet Graeme und Clive doch glatt auf ihrem Roadtrip. Unterwegs begegnet das seltsame Gespann den unterschiedlichsten Charakteren, darunter der passionierten Kreationistin Ruth (Kristin Wiig), ihrem durchgeknallten Vater Moses (John Carroll Lynch) und den mysteriösen Men in Black Zoil (Jason Bateman), Haggard (Bill Hader) und O’Reilly (Joe Lo Truglio), die im Auftrag von "The Big Guy" (Sigourney Weaver) Paul aufspüren sollen.

Was Regisseur Greg Mottola mit Paul im Sinn hat, wird bereits in der liebevoll inszenierten Comic-Con-Sequenz klar. Eigentlich sind Graeme und Clive die Aliens in diesem Film, ständig ecken die beiden Briten mit ihrer freigeistigen Lebensweise mit den US-Amerikanern an. Sie scheinen einfach nie die gleiche Sprache zu sprechen, das zeigt gerade eine großartige Szene in einem klassischen Diner: Während die Bedienung noch Mitleid mit den beiden in ihrer Nerd-Welt versunkenen Briten hat, werden ein paar Hillbillies deutlicher. Für diese kleingeistigen Proleten sind Graeme und Clive einfach "schwul", was schon einer ihrer schlimmsten Beschimpfungen gleich kommt.

Einen Kontrast bietet dahingegen das perfekt animierte Alien Paul. Von der aufgesetzt-lässigen Fäkalsprache bis hin zu den pubertären Verhaltensweisen erinnert es in dieser Gegend – bis auf das Aussehen – doch tatsächlich mehr an einen Menschen als Graeme und Clive. Am ehesten kommt einen bei Paul der berufsjugendliche US-Komiker Seth Rogen (Beim ersten Mal, The Green Hornet) in den Sinn. Und tatsächlich spricht Rogen das sprücheklopfende Alien in der Originalfassung. Im Deutschen hat diese Rolle Bela B übernommen, der sich ganz passabel schlägt. Dennoch sei jedem empfohlen, Paul im Original zu sehen, da der Wortwitz in der Synchronisation nur noch zu erahnen ist.

Paul funktioniert aber nicht nur als charmantes Buddy Roadmovie, sondern auch als herrliche Alienfilmpersiflage. Nahezu alle Klassiker werden zitiert, besonders Steven Spielbergs Unheimliche Begegnung der Dritten Art und E.T. bieten Futter für unzählige Anspielungen. In einem herrlichen Storyeinfall wird sogar die Behauptung aufgestellt, dass Paul bei allen wichtigen Drehbüchern seine Alienfinger im Spiel hatte, Höhepunkt ist hier ein Telefonat des Außerirdischen mit Spielberg persönlich.

Neben der temporeichen Inszenierung sind es vor allem die versierten Komiker, die in Paul für Unterhaltung sorgen. Die Chemie zwischen Frost und Pegg stimmt einfach, aber es sind überraschenderweise die Nebendarsteller, die für die größten Lacher sorgen. Wunderbar natürlich der Gastauftritt von Ellen Ripley persönlich – Sigourney Weaver. Auch Jason Bateman macht sich als geheimnisvoller, Sonnenbebrillter Jäger gut, weil er selbst im größten Slapstick-Chaos engstirnig verbissen bleibt. Heimlicher Star von Paul ist aber die Saturday Night Life-Komikerin Kristen Wigg. Wie sie sich von einer verbohrten Kreationistin ("Auf meinem T-Shirt – Das ist Jesus, wie er Charles Darwin erschießt") in eine freie, selbstbewusstere und enthemmt fluchende Frau entwickelt, das sollte nicht nur Sarah Palin gesehen haben.

Auch wenn Paul - Ein Außerirdischer auf der Flucht sicher mehr den Massengeschmack bedient als Shaun of the Dead und Hot Fuzz – Simon Pegg und Nick Frost bewahren sich selbst in den Staaten glücklicherweise ihren frechen, politisch unkorrekten Humor. Der hohe Unterhaltungswert der Alien-Komödie hat aber auch viel mit der gelungenen Inszenierung von Greg Mottola zu tun. Auch in seinem jüngsten Film lacht man wieder einmal mit und nicht über die Hauptfiguren.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/paul-ein-alien-auf-der-flucht