Der Mandant

Im Zweifel für den Angeklagten

Eine Filmkritik von Lida Bach

Auf einen Fall wie diesen hat Mick immer gewartet. Nie mehr schmierige Kleinkriminelle, Drogendealer aus Biker-Gangs und insolvente Freigesprochenen, die ihre Lohnschulden bei ihm als Chauffeur abarbeiten müssen. Ein solcher einstiger Angeklagter sitzt am Steuer seines Lincolns, damit alles noch schneller geht: die Bezahlung, die Absprache, das Ersinnen der Schlichen, mittels derer er den nächsten Freispruch und die nächste Strafmilderung erzielen wird. Nun hat Mick Haller (Matthew McCaughey) das Leben des reichen Mandanten in den Händen, auf den er gierte. Doch die Wende, welche die Titelfigur von Brad Furmans Der Mandant Micks Karriere gibt, ist teuflisch. In größerer Gefahr als das Leben seines Mandanten schwebt plötzlich Micks eigenes.
Ein Gesetzesverdreher ist Mick nicht. Das hat der gewandte Verteidiger in Furmans hektischem Justizkrimi nicht nötig. Die Legislative ist noch glatter als Mick. Ihre Lücken und Hintertüren, durch die er seine Auftraggeber von der Anklagebank schleusen kann, kennt der schlagfertige Redner wie den Rücksitz seines Lincolns. Von dort verhandelt der sarkastische Mick mit Auftraggebern. The Lincoln Lawyer heißt in Michael Connellys Kriminalreißer der Antiheld, den ein ungewöhnlicher Klient zwingt, seine Ideale zu überdenken. Die Romanvorlage lieferte den Originaltitel von Brad Furmans Gerichtsthriller. Das Auto ist Mick Hallers Markenzeichen. Wenn er Louis Roulet (Ryan Phillippe) erfolgreich verteidigt, kann er sich womöglich bald einen teureren Wagen zulegen. Der Sohn der wohlhabenden Mary Windsor (Frances Fisher) ist des versuchten Mordes angeklagt und hat ausgerechnet Mick als seinen Strafverteidiger auserkoren.

Mick hat keine Klienten, sondern Kunden. Können sie zahlen, stellt er keine moralischen Fragen, auch nicht seinem Gewissen. Hinter den glänzenden Wagenfenstern ist er kaum besser als sie: ein unbedeutender Verteidiger, der von einem Gerichtsgebäude zum nächsten hetzt und nehmen muss, was er kriegen kann. Ein Büro hat er nicht; Benzin ist teuer genug. Im emotionalen Gepäck schleppt er die typischen Alltagssorgen unzähliger Anti-Helden des Thrillers, sei es des Kinos oder der Bahnhofsbuchhandlung. Es hat eine Daueraffäre mit seiner Ex-Frau Maggie (Marisa Tomei) und eine kleine Tochter. Die Entfremdung von seiner Familie ist Folge seiner Frustration. Wer nach den Regeln spielt, ist ein Verlierer, glaubt Mick. Darum spielt er mit ihnen. Genau wie sein Mandant.

Roulets Nachname verweist semantisch auf das Glücksspiel, während Hallers Spitzname Mickey an die Detektiv-Romane des "hard boiled"-Genres erinnert. Den Klassikern des Noir-Thrillers nimmt sich auch Serienautor Connelly an. Die Kinoadaption des ersten seiner Romane mit Mick Haller indes verleugnet die rüden Aspekte der Vorlage. Auf eisige Spannung zielen die in Blau- und Grautöne getauchte Szenarien, McCaughneys geschliffene Gesten und die harten Schnitte. Eine Spur zu glatt und zu konventionell ist der Plot, vor allem aber zu kalkuliert. Die aufgesetzte Authentizität negiert sich selbst in der Hochglanzinszenierung. Coolness dominiert. Im Kino und im Gerichtssaal. Stets bewahrt Mick seine kühles Kombinationsvermögen, mag er den Kopf auch verlieren. Gemeinsame Schwäche Hallers und seines Mandanten ist ihre Selbstüberzeugung, die sie hindert im entscheidenden Moment zu taktieren satt aufzutrumpfen.

Nicht anders ergeht es Furmans Kinofassung. Die charakterlichen Parallelen Roulets und Hallers gewinnen niemals genug Kontur, um der Dramaturgie psychologisches Gehalt zu verleihen. Mick hält sich für einen Zyniker. In Wahrheit ist er ein desillusionierter Idealist. Jener Idealismus hindert die schneidige Verfilmung trotz der soliden Akteure daran, mehr als ein routiniertes Genrewerk zu werden. Es braucht nur den Mord an einem Kollegen (William H. Macy) und Gefahr für seine Familie und Mick findet seine verschütteten Werte wieder. Die Unschuldigen werden erlöst, die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zugeführt und selbst Drogen vertickende Biker-Gangs können ganz nett sein. Der Mandant besitzt alles, was man von einem Unterhaltungsthriller erwartet. Nicht mehr und nicht weniger.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-mandant