Dot.com

David gegen Goliath

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Nein, dieser Film ist keine cineastische Aufarbeitung der Veränderungen, die das Internet in den letzten Jahren mit sich gebracht hat. Auch wenn der Titel das zunächst vermuten lassen würde. Dot.com hat nichts zu tun mit reißerischen Thrillern wie FearDotCom (2002) oder Chatroom und bietet keine bissigen Betrachtungen milliardenschwerer Nerds wie in The Social Network. Trotz des einiges an Erwartungen weckenden Titels ist Dot.com nichts anderes als ein Heimatfilm, wie man ihn aus dem Kino und vor allem aus dem Fernsehen schon vielfach kennt – die netten, sympathischen und leicht schrägen Dorfbewohner müssen sich gegen die Avancen und Drohungen eines (natürlich städtischen) Konzerns erwehren. Der hat es allerdings – und das ist auch schon das wirklich Neue an diesem Film – nicht auf das Dorf selbst, sondern auf dessen Domain im Internet abgesehen.
Águas Altas, das macht schon die Titelsequenz von Dot.com klar, ist ein echter Bilderbuchort, eine Postkartenidylle im Norden Portugals, in grünen Hügeln gelegen, mit einem beinahe unnatürlich blauen See, liebenswert-schrulligen Bewohnern, pittoresken Häusern und ohne Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Für letztere würde gerne Pedro (João Tempera) sorgen, der eigentlich aus Lissabon stammende Straßenbauingenieur, den es gegen seinen Willen an dieses ruhige Fleckchen verschlagen hat. Um sich die Zeit zu vertreiben, hat er in Eigenregie einen Webauftritt für Águas Altas realisiert – und setzt sich damit direkt in ein Wespennest. Denn die Namensrechte an Águas Altas gehören bereits dem spanischen Konzern DRINAM, der damit sein Mineralwasser gleichen Namens bewerben will. Falls das Dorf die Website weiter betreibe, droht eine Schadensersatzklage in Höhe von 500.000 Euro. Zunächst scheint Pedro vor den Drohungen des Konzerns einzuknicken, doch die Dorfversammlung beschließt, den Spieß herumzudrehen und umgekehrt die gleiche Summe für die Herausgabe der Domain zu fordern. Um die delikate Angelegenheit zu regeln, schickt DRINAM die (natürlich attraktive) Marketing-Expertin Elena (Maria Adanez) nach Portugal. Allerdings bekommt langsam auch die Presse Wind von den Streitigkeiten um das malerische kleine Dorf...

Entgegen des Versprechens, das der Titel von Luís Galvão Teles und seine Drehbuchautorin Suzanne Nagle machen, ist DOT.com ein durch und durch altmodischer Film, der bekannte Versatzstücke aus Heimatfilm, Liebes- und Verwechslungskomödie und dem immer wieder beliebten Kampf David gegen Goliath zu einem nur selten charmanten, meist völlig vorhersehbaren Stück Kino macht. Woran auch die betuliche Art der Inszenierung und die zu sehr am Klischee orientierten Figuren kaum etwas ändern können, die man so oder so ähnlich bereits aus unzähligen Filmen zu kennen glaubt.

Da auch der Ort selbst, an dem Dot.com spielt, kaum mehr ist als ein Bilderbuchidyll, verschenkt der Film eine weitere Chance, die ihn durchaus hätte bemerkenswert machen können - seinen Regionalbezug, seine Verankerung in einer real existierenden Region mit all ihren Eigenheiten und Schrulligkeiten. Würde man das Setting, die Darsteller und die Sprache ändern, könnte man den Film auch mühelos in der Eifel, Polen oder sonst wo auf der Welt ansiedeln. Wie man Regionalspezifisches gekonnter in die Handlung einbaut, das haben andere Filme (wie etwa Willkommen bei den Sch’tis) ungleich schlüssiger und amüsanter vorgeführt.

Dass das MEDIA-Programm der EU die Entwicklung des Drehbuchs gefördert hat, wirft angesichts der reichlich vorhandenen Versatzstücke einige Fragezeichen auf – muss man die uninspirierte Aneinanderreihung von lästigen Klischees eigentlich fördern? Oder könnte (und sollte) man das Wiederkäuen von müden Komödien wie diesen nicht vollends dem Fernsehen überlassen? Dort würde sich ein Film wie dieser wenigstens nachts versenden lassen ...

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dot-com