Passione

Postkartenidyllen und der Sound von Neapel

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Grau ist er geworden. Und dennoch erkennt man ihn sofort wieder. John Turturro, der mit Rollen in Spike Lees Do the Right Thing und Jungle Fever, in Miller’s Crossing, Barton Fink und The Big Lebowski von den Coens einem großen Kinopublikum bekannt wurde, hat mit seinem Film Passione eine musikalische Liebeserklärung an Neapel gedreht.
Turturro, dessen Eltern zwar nicht aus Neapel selbst, sondern aus Apulien und Sizilien stammen, fungiert dabei als eine Mischung aus Gastgeber, Zeremonienmeister und staunendem Kind. Mit dieser Haltung nimmt er das Publikum mit auf eine Reise, die manchmal beinahe so anmutet, als hätte sich der Fremdenverkehrsverband der ebenso schönen wie gebeutelten Metropole darauf besonnen, dem sonst häufig von Armut, Verbrechen, Korruption und Camorra geprägten Image der Stadt ein positives Bild entgegenzusetzen. So schön, so beschwingt, so frei von den Sorgen des Alltags hat man Neapel auf jeden Fall schon lange nicht mehr im Kino gesehen.

Klar, dass die Probleme Neapels, die Müllskandale und die vielfältigen Bedrohungen durch mafiöse Organisationen wie die Camorra in einem Film wie diesem keinen Platz haben und allenfalls als Randnotizen in den Gesprächen mit einfließen. Das sollte und muss man aber auch nicht unbedingt erwarten von einem Film, dessen Ziel doch erkennbar ein ganz anderes ist.

Was der Film als den "Sound von Neapel" beschreibt, beschränkt sich nicht allein auf genuin italienisches Liedgut. Turturro und die auftretenden Musiker würdigen die Stadt vielmehr als musikalischen Schmelztiegel, in dem italienische, arabische und amerikanische Einflüsse zusammenfließen, die portugiesische Fado-Ikone Misía findet hier ganz selbstverständlich ebenso ihren Platz wie die aus Tunesien stammende M’Barka Ben Taleb, der US-Amerikaner Max Casella und unzählige Heroen der bunten und vielfältigen Szene Neapel.

Passione ist kein Dokumentarfilm im eigentlichen Sinne, sondern ein Hybrid aus inszenierten Musikstücken verschiedenster Interpreten, aus Interviews und Archivmaterial, das auf das reiche musikalische Erbe der Stadt verweist, aus Stadtrundgängen, Erkundigungen und mehr oder weniger zufälligen Alltagsbeobachtungen, die sich wie Puzzleteile zu einem liebevollen Stadtporträt voller Wärme und Charme zusammenfügen. Vor allem aber ist es der Film eines Mannes, der für eineinhalb Jahre in diese Stadt und ihre Musik eintauchte und dessen "passione", also Leidenschaft für den Sound von Neapel man in jeder Einstellung spürt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/passione