Wasser für die Elefanten (2011)

Stars in der Manege

Eine Filmkritik von Lida Bach

Die Lichter erlöschen. Das Lachen wird zu Flüstern. Der Vorhang hebt sich, die Vorführung beginnt. "Die spektakulärste Show der Welt" nennt sie Jacob Jankowski vor dem Zirkuspublikum. Oder ist es Regisseur Francis Lawrence, der durch ihn zum Kinopublikum spricht? Es ist immer die spektakulärste Show der Welt. In jedem Zirkus und jedem Zirkusfilm, von He Who Gets Slapped bis zu Wasser für die Elefanten. Lawrence, der Sara Gruens gleichnamigen Bestseller als bildgewaltige Abenteuerromanze verspricht in jeder Szene die Magie der Manege zu erwecken. Doch niemals hält es seine üppige Nummernrevue, was sie zuvor so vollmundig versprochen hat. Und mit den Clowns kommen die Tränen.

Die Reise in eine Welt der Romantik und Fantasie beginnt in den tristen Räumen eines Pflegeheims. Sechzig Jahre ist es her, dass der 93-jährige Jacob (Hal Holbrook) auf einen vorbeifahrenden Güterzug aufsprang. Doch als altes Zirkuspferd vergisst er die früheren Kunststücke nicht. Ein Wanderkarneval lässt vor Jacob die Jahre auferstehen, in denen der junge Tierarzt (Robert Pattinson) mit einem Wanderzirkus umherzog. Die Depression der 1930er bekommen der kleinwüchsige Walter, der fast gelähmte Camel (Jim Norton) und der nun als Zirkustierpfleger arbeitende Jacob zu spüren. Von den animalischen Mitgliedern der Zirkusfamilie liegt Jacob die Elefantenkuh Rosie besonders am Herzen, von den menschlichen Mitgliedern die Kunstreiterin Marlena (Reese Witherspoon). Der jähzornige Direktors August Rosenbluth (Christopher Waltz) misshandelt die beiden unterschiedlichen Damen, weil jede sich auf ihre Weise seinen Machtansprüchen widersetzt. Nur wenn Jacob die scheinbar unzähmbare Rosie bändigt, hat die Truppe eine Zukunft – und vielleicht auch Jacobs Liebe zu Marlena.

Glanz und Elend liegen nah beieinander in der Manege. Dies gilt auch in cineastischer Hinsicht für Francis Lawrence Abenteuerromanze im Zirkusmilieu. Großes Kino über die größte Schau der Welt will die Kinoadaption des Bestsellers Wasser für die Elefanten in der Filmstudio-Manege vorführen. Kongenial ist Lawrence Romanadaption aber eher im unvorteilhaften Sinne. Die traurige Wahrheit, dass sich hinter dem Glitter nur billiger Tingeltangel verbirgt, trifft auch auf Wasser für die Elefanten zu. Die Liaison von Theatralik, Pathos und Kitsch inszeniert das Bombastwerk nicht lebendig, sondern "bigger than life". Zum Teil muss Lawrence Melodram melodramatisch sein, denn Pathos und Sentiment sind untrennbar mit dem Zirkus verflochten, der immer auch Budenzauber und Blendwerk ist, eine sorgfältig einstudierte Illusion. Als solche erscheint der cineastische Abenteuerroman, der faszinieren, verzaubern und vor allem unterhalten will – genauso wie der Zirkus.

Keine der typischen Szenen und Figuren fehlen in der Romanadaption: Der streng choreografierte Zeltaufbau, der weise Clown, der unerbittliche Direktor, die strahlende Kunstreiterin, die ein kleiner Zirkusmitarbeiter wie einen unerreichbaren Stern anhimmelt. Mit atemberaubenden Prunk setzt Lawrence die vertrauten Erzählelemente in Szene und kreiert dennoch nur Stereotypen. Unter der makellosen Optik fühlt sich Wasser für die Elefanten schal und gekünstelt an. Die verschwenderische Kulissen beherbergen eine sparsame Handlung, in der strahlende Stars blasse Charaktere verkörpern. Der Zirkus ist eine flüchtige Kunst, muss Jacob bitter feststellen. Die Goldene Ära der Manege neigte sich schon dem Ende zu, als die der Zirkusfilme anbrach. In deren Nachfolge versteht sich Wasser für die Elefanten.

Das schwärmerische Kinomärchen ist kaum mehr als inhaltsleere Augenweide, in der die farbenfrohe Naivität von Dumbo auf die reißerischen Spannungsmomente von Trapez trifft. Tiere, Emotionen! Eines nach dem anderen lüftet Wasser für die Elefanten die Mysterium der Manege. Ist die Magie verflogen, wird der Geruch nach Menschen- und Tiermassen stechend und die Hände kleben von billigen Süßigkeiten. Vom Zauber des Zirkus bleibt nur ein Haufen Sägespäne.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wasser-fuer-die-elefanten-2011