Dogma

Sonntag, 26.12.2010, Kabel 1, 22:25 Uhr

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Weihnachten naht mit Riesenschritten und es stellt sich für uns wie stets die gleiche Frage: Was empfehlen wir unseren Lesern nur als Fernsehtipp in jenen Tagen, in denen das sonst oft erbärmliche Programm der Sender mit cineastischen Rosinen zuhauf geschmückt ist. Auch in diesem Jahr fällt die Wahl nicht leicht und ist doch letztendlich folgerichtig nach all dem Action-Geballer der Privatsender und den süßlich-zuckrigen Erbauungsfilme, deren einzige Daseinsberechtigung die Zeit zwischen dem 23. und dem (maximal) 27. Dezember zu sein scheint. Kevin Smiths Dogma hingegen ist definitiv anders – rotzig, provokativ und definitiv wenig gottgefällig.
Vor mehr als tausend Jahren sind die beiden Engel Bartleby (Ben Affleck) und Loki (Matt Damon) in Ungnade gefallen und seitdem zu einem traurigen Dasein in Wisconsin verdammt – schlimmer kann es eigentlich kaum kommen. Als im Rahmen einer hippen Imagekampagne der katholischen Kirche die Kathedrale von New Jersey neu eingeweiht werden soll, wittern die beiden verbannten Engel ihre Chance, weil der missionierungsfreudige Kardinal Ignatius Glick (George Carlin) allen Katholiken, die durch die Pforten einer neu geweihten Kirche gehen, die Vergebung all ihrer Sünden verspricht. Gelänge ihnen das, so könnten Bartleby und Loki also frei von jeder Schuld als ganz normale Sterbliche den Weg zurück ins Himmelreich finden. Womit die beiden lebensmüden Engel aber nicht gerechnet haben, ist die Tatsache, dass ihre Rückkehr das Dogma von der Unfehlbarkeit Gottes in Fragen stellen würde. Da Gott (Alanis Morisette) gerade mal wieder auf einem Ausflug auf der Erde weilt, nimmt sich der Erzengel Metatron (Alan Rickman) der Sache an und setzt buchstäblich Himmel und Hölle in Bewegung, um die beiden Abtrünnigen von ihrem Ziel abzuhalten. Sein bevorzugtes Werkzeug zur Durchführung des himmlichen Plans ist dabei die gerade an ihrem Glauben zweifelnde Bethany (Linda Fiorentino). Nach und nach gesellen sich noch andere eher schräge Vögel zu der himmlischen Eingreiftruppe – unter ihnen der niemals in der Bibel erwähnte 13. Apostel Rufus (Chris Rock), zwei (aus verständlichen Gründen ebenfalls verschwiegene) Grungepropheten im Schlabberlook und mit ungeheurem Appetit auf Sex (Jason Mewes und Kevin Smith) sowie die göttliche Muse und Stripperin Serendipity (Salma Hayek). Und schließlich kommt auch noch Gott hinzu, der – Oh Wunder – natürlich eine Frau ist...

Betrachtet man die schräge Mixtur, die Kevin Smith mit geballter Starpower und vielen bissigen Seitenhiebe auf die Kirche (und das Kino) inszeniert hat, verwundert es nur wenig, dass der Film im Jahr 1999 bei den erzkonservativen Katholiken der USA für einen handfesten Skandal und wütende Proteste sorgte. Was die erbosten Gläubigen aber vollkommen übersehen hatten: Der bekennende Katholik Kevin Smith wollte mit seinem Film keineswegs eine Generalabrechnung mit der Kirche initiieren. Zu einer fundierten Rleigionskritik fehlt es seinem Film auch an Tiefe und Ernsthaftigkeit. Was Dogma dagegen auf manchmal an der Grenze zur Geschmacklosigkeit grenzende Weise aufs Korn nimmt, sind vielmehr unsere kindlich-naiven Glaubensvorstellungen, die Smith durch einige einfache Handgriffe überspitzt und verformt, um ihre Absurdität vorzuführen.

Zugegeben: Als Weihnachtsfilm der besinnlichen Art ist Dogma nicht unbedingt die beste Wahl. Wer aber den schrägen Humor von Kevin Smith mag und keine Angst vor recht derben Späßen hat, für den dürfte der Film nach allzu viel Süßlichkeit ein willkommenes Kontrastprogramm zum unvermeidbaren Traumschiff und den aller Jahre wieder durchs Programm gescheuchten Weihnachtsfilmen sein. Und so ganz nebenbei bemerkt: Dass Gott eine Frau ist, haben wir doch alle schon lange geahnt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dogma