Next Exit Nirvana

Gurus & Babas

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Walter Größbauer, österreichischer Dokumentarfilmer, hat sich durch das "Tor der Illusion" begeben, um das spirituelle Indien zu entdecken. Dafür besuchte er das größte Pilgerfest der Welt in Haridwar am Ganges und hat Erstaunliches, Befremdliches und auch Beängstigendes zu Tage gefördert.
Alle zwölf Jahre findet die Kumbh Mela statt, das größte religiöse Fest des Hinduismus, zu dem über zwei Millionen Pilger kommen, um sich durch ein erlösendes Bad im Ganges von ihren Sünden reinzuwaschen. Außerdem erwarten sie dort 5.000 Gurus und 200.000 Mönche, sogenannte Sadhus, die nach Erleuchtung suchen oder bereits gefunden haben und diese an die Pilger weitergeben wollen. Das spirituelle Fest gleicht dabei einem Karnevalsumzug, der sich bunt, schrill und laut über einige Wochen hinzieht. Bisweilen fällt es schwer, darin etwas Religiöses oder Göttliches darin zu erkennen, denn vielen der Gurus und Sadhus ist eine gewisse Selbstherrlichkeit nicht abzusprechen, und es scheint, dass sie auf dieser "Frühjahrsmesse der Spiritualität" einfach nur ihre Ware anpreisen wollen. Diese besteht aus ihrem religiösen Wissen und durchaus auch aus einem direktem Draht zu Gott. Die Pilger scheint das nicht zu stören, im Gegenteil, sie durchschauen durchaus die ein oder andere Maskerade. So weiß beispielsweise eine Pilgerin zu berichten: "Die Gurus und Priester sind genau so Nullen wie wir." Trotz dieser harschen Kritik fühlt sie sich wohl in dieser Ausnahmesituation, und zahllose selbstvergessen Badende oder Betende beweisen, dass die meisten der zwei Millionen Teilnehmer das Fest im religiösen und spirituellen Sinn genießen.

Größbauer hat in seinem Dokumentarfilm Next Exit Nirvana exemplarisch einige Sadhus, Asketen, Gurus und Yogis aus der Menge herausgegriffen, die ihre besonderen Fähigkeiten oder Lebensweisheiten bereitwillig vor der Kamera zur Schau stellen oder verkünden. Allen geht es dabei vor allem um Liebe und Frieden, was an sich ja nichts Schlechtes ist. Ob man dafür allerdings zwölf Jahre auf einem Bein stehen ("Er bleibt noch sieben Jahre stehen, fünf sind schon vorbei..."), sich auf Nagelbetten legen oder mit dem Penis schwere Steine heben muss, ist etwas fragwürdig. So sieht es denn auch Bhupinder Chahan, ein junger, moderner Inder, der den Regisseur bei den Dreharbeiten begleitet hat und dem Zuschauer erhellende Kommentare zu den Riten und Bräuchen abgibt. Für ihn sind die meisten der Sadhus arrogant und tun unsinnige Dinge, fügen ihrem Körper unnötigen Schmerz zu und verhalten sich wie Sadisten oder Masochisten. Ein anderer Mann tritt vor die Kamera und kritisiert ebenfalls die Gurus und Sadhus, die in seinen Augen die Menschen nur "verarschen" und lieber arbeiten gehen sollten. Dass Größbauer auch diese kritischen Töne einfängt und das Pilgerfest nicht nur als rauschendes Fest darstellt, ist beruhigend, denn zu vieles wirkt auf den europäischen Zuschauer befremdlich und absonderlich. Beruhigend, wenngleich ernüchternd, sind auch seine Schlussworte: "Am Ende meiner Reise muss auch ich erkennen, dass meine Hoffnung, eine mir fremde Kultur zu verstehen, eine Illusion ist. Meine Sichtweise nur eine Reflexion der eigenen Kultur."

Next Exit Nirvana bietet eine wahre Farb- und Geräuschexplosion, bringt ein klein wenig Aufklärung in die fremde Kultur der Hindus, zeigt, wie sehr die Menschen nach Erleuchtung und Religiosität streben und hinterlässt die widersprüchlichen Gefühle von Faszination und Verständnislosigkeit, mit denen auch Walter Größbauer vom Pilgerfest zurückgekehrt ist. Aber nicht nur damit, sondern auch mit schwerem Durchfall und einem Hautausschlag. Soviel zur Reinwaschung im Ganges ...

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/next-exit-nirvana