Nichts zu verzollen (2010)

Die Sch’tis wohnen jetzt in Belgien

Eine Filmkritik von Martin Beck

Willkommen bei den Sch’tis und die Folgen. Der erfolgreichste französische Box Office Hit aller Zeiten zieht nicht nur ein italienisches Remake (Willkommen im Süden), sondern auch eine quasi-Fortsetzung nach sich, die Dany Boon eine Personalunion als Regisseur, Hauptdarsteller und Drehbuchschreiber gestattet. Nichts zu verzollen soll bitteschön den Box Office-Blitz ein zweites Mal einschlagen lassen, was zumindest in Frankreich, wo der Film erneut ein satter Erfolg war, schon mal geklappt hat.

Nach dem Nord-Süd Konflikt von Willkommen bei den Sch’tis geht es nun um die Unterschiede zwischen Franzosen und Belgiern. In einer kleinen Grenzstadt wacht auf der einen Seite des Schlagbaums der gutmütige Franzose Mathias (Dany Boon) und auf der anderen Seite der überzeugte Belgien-Patriot Ruben (Benoît Poelvoorde). Die beiden können sich nicht ausstehen, doch als 1993 die europäischen Grenzen fallen, werden selbstverständlich sie auserkoren, im Rahmen eines belgisch-französischen Pilotprojekts gemeinsam auf Verbrecherjagd zu gehen.

Nichts zu verzollen dreht sich um zwei Menschen, die eine Sprache sprechen, doch sich einfach nicht verstehen wollen. Mathias ist ja eigentlich ein Netter, inklusive der Liebe zu Rubens Schwester, doch der Belgier pflegt eine hysterische Abneigung gegen Frankreich, die kurz vor dem Rassismus steht. Glücklicherweise beschränkt sich das Drehbuch auf klischeehafte Frotzeleien, die die Camenberts zu so etwas wie die Piefkes machen. Wunderbar dazu passt auch die Begründung von Ruben, warum er denn die Franzosen nicht ausstehen kann: Weil nämlich sein Vater schon genauso drauf war. Punkt und aus.

Nichts zu verzollen hat spürbaren Spaß an der Ironisierung nationalistischer Klischees und erschafft dazu eine Art Fantasiewelt, die die Wirklichkeit dezent überhöht. Die beiden Grenzbeamten gebärden sich wie sich Menschen einfach nur in französischen Filmen gebärden, der alberne Subplot um eine Drogendealerbande stammt eigentlich aus Pippi Langstrumpf und die große Versöhnung muss natürlich in einer Kneipe namens "No man’s land" stattfinden. Wenn Nichts zu verzollen bereits 30 Jahre auf dem Buckel hätte, wäre mindestens eine der beiden Hauptrollen von Louis de Funès gespielt worden.

Wer Willkommen bei den Sch’tis mag, wird sicher auch Nichts zu verzollen in sein Herz schließen, wenngleich der Film nicht ganz in der gleichen Liga spielt. Der Stolperstein hier ist das nicht zielgenau auf den Punkt kommende Drehbuch, das einfach zu wenige wirklich zündende Gags enthält, am Ende zu hastig einen runden Bogen zusammenrudert und vor allem dem zentralen Konflikt nicht genug Zunder gibt. Während Benoît Poelvoorde de Funès in Reinkultur abfeuert, bleibt die Figur des Mathias viel zu brav und eindimensional. Nichts zu verzollen lebt von Reibung und nicht von (zugegebenermaßen rasant inszenierten) Verfolgungsjagden mit der Gangsterbande. Die Champions League europäischer Unterhaltungskunst wird natürlich trotzdem erreicht, doch für eine Finalteilnahme bewegt man sich diesmal leider zu weit in nette Nummer-sicher-Gefilde.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/nichts-zu-verzollen-2010