Atanarjuat – Die Legende vom schnellen Läufer

Montag, 17. Januar 2011, ARTE, 20:15 Uhr

Eine Filmkritik von Marie Anderson

In der arktischen, kargen Schneelandschaft Kanadas ereignet sich um das Ende des ersten Jahrtausends eine Geschichte um Macht, Rivalität, Rache und Liebe, die auf eine alte Legende der Inuit zurückgeht. An Originalschauplätzen mit Laiendarstellern dieser Region, die im Film ihre alltägliche Sprache Inuktitut sprechen, hat der kanadische Regisseur Zacharias Kunuk diesen komplexen klassischen Stoff inszeniert, der zu den traditionellen Erzählungen seiner Kindheit gehört. Auf diese Weise entstand erstmalig ein opulentes Epos um die kulturellen Wurzeln der Inuit, das komplett mit authentischen Akteuren besetzt und von ebensolchen Filmemachern realisiert wurde.
Dieser Besucher (Pauloosie Qulitalik), der bei einem Nomadenstamm der Inuit im Ewigen Eis der Arktis auftaucht, führt nichts Gutes im Schilde, denn er hinterlässt einen üblen Fluch, der die kleine Gemeinschaft in Zwistigkeiten und Zerrüttung führt. Bald darauf tötet der machthungrige Sauri (Eugene Ipkarnak, als junger Mann Eric Nutaraiaq) seinen Vater und wird dadurch zum Oberhaupt des Stammes, der fortan unter seiner Grausamkeit zu leiden hat. Als sein nicht minder verschlagener Sohn Oki (Peter-Henry Arnatsiaq) erwachsen ist, kämpft er mit dem aufrichtigen Atanarjuat (Natar Ungalaaq), einem außergewöhnlichen Läufertalent, um die Hand der schönen Atuat (Sylvia Ivalu), die eigentlich bereits Oki als Braut zugedacht ist. Doch Atanarjuat siegt und gewinnt dadurch die begehrte Frau für sich, aber Oki wartet beharrlich auf eine Gelegenheit, um Atanarjuat ein für alle Mal auszuschalten ...

Bildgewaltige Szenarien von Eis und Schnee, die arktische Stille, innerhalb welcher die Zeit den Atem anzuhalten scheint, überwiegend wortkarge Protagonisten, die hier um ein würdiges Überleben ringen, sowie eine substanzielle Geschichte voller tiefgründiger Dimensionen prägen die dichte, trotz aller Schlichtheit packende Atmosphäre dieses kuriosen ersten Spielfilms von Zacharias Kunuk. Atanarjuat – Die Legende vom schnellen Läufer wurde 2001 beim Internationalen Filmfestival von Cannes uraufgeführt, gewann dort die Goldene Camera für das Beste Debüt und lief im Anschluss daran auf zahlreichen Filmfestivals weltweit, woraufhin der Film geradezu mit Nominierungen und Auszeichnungen überhäuft wurde. Bei einer Länge von annährend drei Stunden in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln haftet Atanarjuat – Die Legende vom schnellen Läufer durchaus streckenweise das Flair des Dokumentarischen an, vor allem dann, wenn lange Sequenzen des rauhen Alltags der Menschen in der undurchdringlichen Landschaft gezeigt werden. Dennoch entwickelt die Dramaturgie der Geschichte eine unmerkliche Sogkraft mit einer Spannung, die ausreicht, um dem Zuschauer das zunächst fremd Anmutende derart nahe zu bringen, dass befürchtete Längen sich in ansprechende Intensitäten verwandeln.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/atanarjuat-die-legende-vom-schnellen-laeufer