Tage, die bleiben

Mit Herzblut und Humor

Eine Filmkritik von Peter Gutting

So einen Sarg gibt es wirklich: Er ist knallrot, rund wie ein Ei und sieht, kurz gesagt, wie ein UFO aus. Hätte sich die Verstorbene so etwas gewünscht? Eine schwierige Frage. Und Anlass für einen ausgewachsenen Streit in Pia Strietmanns tragikomischem Familiendrama, das beim Saarbrücker Max-Ophüls-Festvial zu Recht mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnet wurde.
Die kleine Szene beim Bestatter gibt den Ton des Films vor. Die Tage der Trauer, wenn ein Familienmitglied plötzlich aus dem Leben gerissen wird, sind voll von Entscheidungen, die getroffen werden müssen, für die man aber eigentlich überhaupt keinen Nerv hat. So steht man besinnungslos neben sich, funktioniert irgendwie, begreift gar nicht, wie einem geschieht. Schaut man von außen auf diese Situation, kommt sie einem skurril bis absurd vor. Den Betroffenen ist also gar nicht zum Lachen zumute, dem Zuschauer aber schon.

Regisseurin Pia Strietmann hat in ihrem Spielfilmdebüt ein Thema gewählt, das eine Menge Fingerspitzengefühl erfordert. Hier ein Tick Klamauk zu viel, dort ein wenig zu sehr zugespitzt - schon könnte die Tragikomödie kippen in eine bloße Farce. Aber die junge Filmemacherin steckt in das Drehbuch so viel Herzblut und eigene Erfahrungen, dass die Balance zwischen realistischer Innenperspektive und unterhaltsamem Blick von außen über weite Strecken gelingt.

Es beginnt mit einem schockartig in Szene gesetzten Autounfall, bei dem die Mutter einer vierköpfigen Familie stirbt. Zurück bleiben Vater Christian (Götz Schubert), dessen notorische Untreue an dem Unfall nicht ganz unschuldig ist, Sohn Lars (Max Riemelt), der den provinziellen Mief seiner Heimatstadt verachtet, und die pubertierende Tochter Elaine (Mathilde Bundschuh), für die ein Tattoo wichtiger zu sein scheint als alles andere. Schon seit einiger Zeit haben sich die Hinterbliebenen untereinander überworfen, der Vater mit dem Sohn und die Schwester mit dem Bruder.

Wie also soll man nun gemeinsam trauern, einander trösten, wichtige Entscheidungen treffen und all die Formalitäten bewältigen, die nun mal mit einer bevorstehenden Beerdigung verbunden sind. Mit einfühlsamem Blick auf die Figuren zeigt Pia Strietmann, wie es wirklich ist, aber eigentlich nicht sein "dürfte": Die Streits gehen genauso weiter wie die Fluchtbewegungen. Der Vater will mit seiner Freundin abhauen. Der Sohn lebt seine Arroganz gegenüber der Provinz an einem ehemaligen Freund aus, der heute Bestatter ist. Und die Tochter macht sich mit ihrer Freundin einen Spaß daraus, Männer sexuell zu provozieren, die ihre Väter sein könnten. Erst die Begegnung mit Menschen, die gar nicht zur Familie gehören, aber ehrlich um die Verstorbene trauern, öffnet dem Vater und den Kindern die Augen.

Die Stärke von Tage die bleiben liegt in der sensiblen und realistischen Entfaltung eines Beziehungsgeflechts, das sich durch kleine Erfahrungen entscheidend verändert. Der Film besticht durch die genaue Beobachtung von Wechselwirkungen und Widersprüchen. Pia Strietmann schickt ihre Figuren auf den Abgrenzungstrip und erkundet gerade dadurch, was die Familie noch zusammenhält.

Zusätzlich zu den eh’ schon absurden Momenten der bürokratischen Bewältigung eines Todesfalls nutzt Pia Strietmann die Ausflüge ihrer Figuren zu humoristischen Seitenhieben, die das unterhaltsame Anliegen des Films ein wenig übertreiben. Aber das sind kleine Einwände gegenüber dem Verdienst, ein schweres Thema mit einer verblüffenden Leichtigkeit zu meistern.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/tage-die-bleiben