Viva Riva!

Kinshasa Symphony des Verbrechens

Eine Filmkritik von Lida Bach

Heiße Ware, heiße Frauen, heißes Klima: das ist die Welt von Riva (Patsha Bay). Kein Wunder, dass sich der schneidige Draufgänger schließlich die Finger verbrennt. Sein Traum von Macht und schnellem Geld scheint zum Greifen nah, als er mit wertvoller angolanischer Schmuggelware in seine Heimatstadt zurückkehrt. Doch der Unterweltboss Cesar lässt Riva und seinen Komplizen das kriminelle Geschäft nicht abspenstig machen. Ebenso wenig wie der Gangster Azor (Diplome Amekindra) seine eifersüchtig bewachte Freundin Nora (Manie Malone). Die verführerische femme macht Rivas Lage noch fataler, als sie in dem mörderischen Spiel schon ist.
Dicke Geldbündel werden gezückt, die Gangsterfreundin ist so anziehend wie undurchsichtig und Cesar, vor dessen Name nur das "little" zu fehlt, foltert im Maßanzug. Und dann fällt der Strom aus. Nicht im Berlinale-Kino, sondern in Viva Riva!. Energieknappheit ist ein Dauerproblem, das Djo Tunda Wa Munga aus eigener Erfahrung kennt und in seinen stilsicher inszenierten Thriller als Running Gag einflicht.

Der kostbare Stoff, der Riva in einen blutigen Unterweltkampf reißt, sind keine Drogen, sondern Benzin. Ohne den teuren Brennstoff liegen die Generatoren der einfachen Bevölkerung gemeinsam mit den Luxuskarossen der reichen Villenbewohner lahm. Sprit hält das Leben in der Stadt am Laufen. Fast scheint es versteckte Ironie, dass er auch die Handlung von Viva Riva! antreibt. Was als kurioser Einfall erscheint, ist für Munga alltäglich. Der gradlinige Gangsterthriller des kongolesischen Regisseurs und Drehbuchautors spielt in der Landeshauptstadt Kinshasa. Scheint die typische Gangsterstory vorhersehbar, verleiht ihr der unberechenbare Alltag des Handlungsorts eine überraschende Facette. Nora tanzt vor Riva bei ihrer ersten Begegnung nicht in einem edlen Club, sondern einer Musikbar unter freiem Himmel. Pärchen verschwinden hier nicht in Toilettenkabinen, weil es keine gibt. Selbst eine Gangsterbraut erleichtert sich ungeniert im Gebüsch. Das Auge Rivas und jenes der Filmkamera geben sich genüsslich dem Voyeurismus hin. Die explizite Sexualität und Gewalt sowie das kritische Bild der Kirche wirken irritierend im von europäischer und amerikanischer Mainstream-Prüderie geprägten Kino. Doch die Provokation, die vor einigen Jahren in anderer Form auch dem Dogma-Film und dem asiatischen Kino gelang, ist willkommen.

Auf der Berlinale fesseln die Einblicke in das Großstadtleben mehr als die Thriller-Handlung. Chaotisch und schillernd ist in der Metropole das pulsierende Leben, das ein unvermitteltes Ende finden kann – nicht nur für jene, die es wie Riva bewusst aufs Spiel setzen. Umso intensiver scheint die Lebenslust der Menschen, von der der Film und der Titel künden. Munga zeigt sie nicht im Zerrspiegel westlicher Mainstream-Filme als leidvolle Tapferkeit oder Fernweh-Kitsch im Stil von Jenseits von Afrika. Diese Authentizität macht sein reißerisch-mitreißendes Debüt ungeachtet seiner dramaturgischen Schwächen unterhaltsam. Viva Riva! verkündet auch das neue Selbstbewusstsein des afrikanischen "Nollywood-Kinos". Ein Film müsse dort gemacht werden, wo er gebraucht wird, sagt Regisseur Munga. Europas Kinos können dies genauso sein wie die kongolesischen. Das Berlinale-Debüt des in seiner Heimat am Aufbau eines inländischen Filmbetriebs arbeitenden Regisseurs beweist es.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/viva-riva