Attack The Block

Inner City vs. Outer Space

Eine Filmkritik von Lida Bach

"Guy, Guy poke him in the Eye..." Den fiesen Kinderreim wollen Pest (Alex Esmail), Dennis (Franz Drameh), Biggz (Simon Boyega) und Jerome (Leeon Jones) aus Moses (John Boyega) Gang in der Guy-Fawkes-Nacht an der Krankenschwester Sam (Jodie Whittaker) umsetzen, als eine attraktivere Zielscheibe für ihre Aggression buchstäblich vom Himmel fällt. Bevor sie anstatt die überarbeitete Krankenschwester auszurauben das unbekannte Flugobjekt zu Sterntalern ummünzen können, bekommen es die Jugendlichen mit dessen Insassen zu tun. Doch die haben sich für ihren Angriff die falsche Seite der Straße ausgesucht.
"It´s inner city versus outer space!" Was die Tagline bereits vorab verspricht, führt die erste Szene der britischen Science-Fiction-Komödie Attack The Block sinnbildlich vor Augen. Die Antipathie der Charaktere richtet sich nicht nur gegen die Weiten des Weltraums, sondern gegen alles jenseits ihres persönlichen innerstädtischen Raums. Kosmos gegen Mikrokosmos, unendliche Weiten, unendlich viele Feindbilder, von denen Cornish das geläufigste und transparenteste auswählt. Das Alien steht sinnbildlich für das Fremde, mit dem es im englischen Sprachgebrauch synonym ist. Sein gleichzeitig albernes und monströses Äußeres ist Produkt der infantilen Dämonisierung, die den Blick der jungen Figuren auf ihr Umfeld verzerrt. Unbekanntes ist für sie feindselig, eine Übermacht, von dem ihre mentale und lokale Beschränktheit nur sie selbst und ihre Clique ausnimmt. Die inhärente Fremdenfeindlichkeit inszeniert die Invasionsgeschichte als akzeptabel, indem sie sie taktisch geschickt durch eine ethische Minderheiten verfechten lässt.

Der Mix aus Kinderfilm und Actionreißer, mit dem Fernsehautor und TV-Komiker Joe Cornish sein Kinodebüt gibt, ist eine derbe Sozialparabel, die ihren Konformismus hinter Slang und Subkultur-Szenario verbirgt. Um die Drogenterminologie der Nebenhandlung beizubehalten: Attack The Block versucht Dissozialität als Rebellion zu verticken und Ultra-Konformismus als Unkonventionalität. In unfreiwilliger Ironie spiegelt das großspurige Auftreten der vermeintlichen Independent-Komödie das prahlerische Gebaren der Protagonisten. Hinter beider postmodernem Gestus versteckt sich Konservativismus, dessen Xenophobie deren Verzerrung ins Aberwitzige verbergen soll. Die Idealisierung subkultureller Aggression entspringt dabei keineswegs Sympathie für deren Vertreter, sondern kaschiert deren sozialpsychologische Ursachen. Dass Hochhausslums sich ideal vermarkten lassen, entdeckte vor Cornish schon Sido: "Wir hier im Viertel kommen klar mit diesem Leben. / Ich hab alle meine Freunde aus dieser Gegend. / Hab doch keine Angst vor dem Typen mit dem Schlagring. / Er ist zwar n bisschen verrückt doch ich mag ihn."

Ist doch ganz nett im Ghetto, wo die Protagonisten als Angehörige der Unterschicht doppelter Marginalisierung ausgesetzt sind; durch lokale Verdrängung in Sozialbauten und soziokulturelle Stigmatisierung. Der Alien verkörpert zugleich das Stereotyp des Invasoren und den absoluten Außenseiter. Den Jugendlichen liefert es die optimale Projektionsfläche der negativen Aspekte der eigenen sozialen Gemeinschaft sowie als feindlich empfundener anderer Sozialgruppen. Die Invasion gibt der ziellosen Wut der Figuren eine Richtung und die Möglichkeit, die Angst vor der eigenen Ausgrenzung durch die gewalttätige Ausgrenzung eines anderen zu kompensieren. Der Filmtitel ist nicht nur Warnung vor einem Angriff, sondern Aufruf zu einem solchen. Bevor die Handlung sie in die Rolle der Verteidiger rückt, sind die Protagonisten Angreifer.

Kritisiert wird das diffuse Sozialkonzept einzig von Sam, der Moses stellvertretend für Cornish mit absurder Prüderie den Mund verbietet: "Du fluchst zu viel!" Solange ihre Gewalt die eigene Gesellschaftsschicht nicht verlässt, ist sie für höhere Gesellschaftsklassen harmlos und kann getrost karikiert werden. Das innerstädtische Ghetto wird zum Boot Camp, dessen Brutalisierung die Protagonisten zu kleinen Kombattanten für ihr Land ausbildet. Dass ihr Tod aufgrund der mangelnden Charakterisierung nicht berührt, macht sie zu fragwürdigen Prototypen identitätsloser junger Unterschichtsoldaten: Alien-Futter statt Kanonenfutter. Der patriotische Konnotation, die der Handlungszeitraum dem Klischee verleiht, zeigt als probate Lösung sozialer Gewalt deren Militarisierung. Die Invasion ihres Blocks aus dem Weltall mögen die Figuren verhindert haben, der Manipulation durch die Unterhaltungsindustrie sind sie erlegen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/attack-the-block