Brasch - Das Wünschen und das Fürchten (2010)

Die einzigartige Lebensgeschichte eines Unbequemen

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Christoph Rüters Dokumentation erinnert an Thomas Brasch, den Philosophen, Dichter und Filmemacher, dessen Lebensgeschichte wirklich einzigartig ist. Brasch wurde 1945 in Großbritannien als Sohn zweier Exiljuden geboren. Die Familie ging dann in die spätere DDR, in der Braschs Vater zum Kulturminister aufstieg. Doch sein Sohn hatte ganz andere Ambitionen. 1968 klebte Thomas Protestplakate, die zur Beendigung der Gewalt beim Prager Frühling aufriefen, woraufhin sein Vater ihn denunzierte und er für 27 Monate ins Gefängnis kam. Danach wurde Brasch Schriftsteller, doch seine Schriften wurden in der DDR verboten. Als er widerrechtlich ein Manuskript in die BRD schmuggelte und es dort veröffentlichen ließ, wurde er abgeschoben.

Aber auch im Westen wurde der Denker nicht zum Konformist. So weigerte er sich einen bundesdeutschen Pass anzunehmen und schrieb weiter kritische Texte und Theaterstücke. Sein erster Film Der eiserne Engel erhielt 1981 den Bayerischen Filmpreis. Bei seiner Dankesrede dankte Brasch der Filmschule der DDR für seine hervorragende Ausbildung. Als es nach der Wende keinen Gegner mehr gab, wurde es still um Thomas Brasch. Er starb im Jahre 2001 in Berlin.

Wer diesen Mann näher kennen lernen konnte, so scheint es, war stets fasziniert von diesem Querdenker. So auch Freund und Regisseur Christoph Rüters, der aus den autobiographischen Aufnahmen, die Brasch von sich selbst gemacht hatte und vielen anderen Materialien ein Erinnerungswerk geschaffen hat. Die Dokumentation vereint eine Unmenge an disparaten Materialien. Abgefilmte Theaterinszenierungen, Dokumentaraufnahmen, Interviews, die Brasch nach seiner Ankunft in der BRD unter anderem mit Günther Grass gegeben hat, aber auch seine Gedichte werden zitiert. Die schiere Flut an Material und die verschiedenen Arten sie unter einen Hut zu bekommen und zu einer kohärenten Geschichte zu formen, ist ein Meisterakt. Dieser gelingt Rüters oft sehr gut. Nur hier und da bemerkt der Zuschauer, der noch nie von Brasch gehört hat, kleine Ungereimtheiten und Ellipsen, die das Nachvollziehen eines ungewöhnlichen Werdeganges schwieriger gestalten.

Trotzdem hat Brasch - Das Wünschen und das Fürchten die nötige Stringenz, um dem Menschen Brasch näher zu kommen. Die Aufnahmen des ewig Grübelnden, des alternden Künstlers, sein Berliner Witz und seine Koketterie sind erfrischend. Dass Brasch ein Unikat war, ist sicher. Doch Rüters dokumentiert nicht nur den Menschen, sondern auch ein Stück deutsch-deutscher Geschichte und deren Aufarbeitung.

Ein wenig langatmig ist Rüters Film an manchen Stellen geworden, sperrig an anderen, doch da muss man durch. Denn, um es mit Braschs eigenen Worten zu sagen: "Nur wer Schmerzen hat weiß, dass er am Leben ist".
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/brasch-das-wuenschen-und-das-fuerchten-2010