An Ecology of Mind

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dass der Mensch mit seinem Gehirn denkt, weiß auch das kleine Mädchen bereits, das mit seinem Vater über diese grundlegende Frage zahlreicher wissenschaftlicher Disziplinen spricht. Doch der Vater ist an dem komplexen, letztlich wohl unauslotbaren "Wie" interessiert, und mit diesem Interesse öffnet sich ein Moloch an kuriosen Vorstellungen, Ideen und Theorien, bei denen vor allem der Kontext, das System, die Interdependenzen bedeutsam sind. Dass derartig knifflige Themen auch mit Hilfe hintergründigen Humors und mit Zitaten aus Alice im Wunderland vermittelbar sind, zeigt der Humanist, Naturliebhaber und Lernbegierige Gregory Bateson auf ganz charmante Art und Weise.
Es ist eine sehr persönliche, geradezu zärtliche Liebeserklärung an ihren 1980 verstorbenen Vater, die Nora Bateson in Form einer einstündigen Dokumentation inszeniert hat. Mit sanfter Stimme und ebensolcher Musik im Hintergrund erzählt sie vom Wesen, Leben und Wirken des interdisziplinären Wissenschaftlers Gregory Bateson, der gemeinsam mit engagierten Gleichgesinnten wie Margaret Mead, Heinz von Foerster und anderen bedeutenden Kybernetikern die Grundlagen der Systemtheorie erarbeitete. Als Anthropologe, Biologe, Kommunikationstheoretiker, kritischer Philosoph und einiges mehr beschäftigte sich Bateson intensiv mit dem Phänomen des menschlichen Denkens, und seine Bemühungen, ein ökologisches Bewusstsein in der Gesellschaft zu fördern, zählen retrospektiv sicherlich zu seinen größten Verdiensten im Rahmen seiner engagierten Arbeit.

An Ecology Of Mind, dessen Titel seinem berühmten Werk Ökologie des Geistes / Steps to an Ecology of Mind entlehnt ist, kombiniert Archivaufnahmen des Doppelbindung-Theoretikers mit Kindheits- und weiteren Erinnerungen der Regisseurin an ihren Vater, Interviews mit seiner ältesten Tochter Mary Catherine Bateson, deren Mutter die berühmte Anthropologin Margaret Mead war, sowie einigen Wegbegleitern wie Ralph Abraham, Stewart Brand und Fritjof Capra. Eingebettet in schlichte kleine Animationen, die als Symbol der innigen Vater-Tochter-Beziehung erscheinen und die Dokumentation unter Überschriften wie "Epistemology", "Pattern" und "Double Binds" in einzelne Kapitel zu wichtigen Begrifflichkeiten aus Batesons Gedankenwelten gliedern, stellt der Film ein ebenso unterhaltsames wie inspirierendes Porträt des präzisen, avantgardistischen Denkers dar, der Generationen von Systemtheoretikern nachhaltig beeinflusst hat.

Am 1. Juli feiert der atmosphärisch ausgesprochen idyllisch angelegte Dokumentarfilm, der in Kanada und in den USA bereits auf Filmfestivals zu sehen war, seine Deutschlandpremiere im Rahmen des Filmforums im Museum Ludwig in Köln in Anwesenheit der Regisseurin Nora Bateson, die im Anschluss an die Filmvorführung mit dem systemischen Therapeuten und Publizisten Tom Levold zu diskutieren beabsichtigt. Anschließend wird Nora Bateson noch ein paar Tage durch Deutschland reisen, um ihre offensichtlich mit reichlich Herzblut und kleinen Sentimentalitäten ausgestattete Dokumentation über einen großartigen Wissenschaftler des vergangenen Jahrhunderts in weiteren Städten zu präsentieren und mit Gleichgesinnten ins Gespräch zu kommen. Dass Beziehungen auch über den Tod eines Protagonisten hinaus weiter wirken können, ist einer der schönen, tröstlichen Gedanken, die An Ecology Of Mind zu einer mitunter regelrecht besinnlichen Dokumentation werden lassen, die auch ein Plädoyer für den Mut zu notwendigen Entwicklungen darstellt: So beängstigend Veränderungen auch sein mögen – keine Veränderung, Stillstand ist es umso mehr.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/an-ecology-of-mind