Kill Me Please

Das Todesschloss des Dr. Krueger

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eigentlich stellt man sich Gevatter Tod grimmiger vor. Nicht so nett und freundlich und still wie Dr. Krueger (Aurelien Recoing). Dieser überaus sympathische Arzt ist beseelt von einer Mission, die sich freilich schlecht mit seinem hipppokratischen Eid verträgt – statt Leben zu verlängern, wie die Standesethik es verlangt, verkürzt er es. Natürlich nur aus reiner Menschenfreundlichkeit und in aller Diskretion, die ihm ein stattliches Anwesen irgendwo auf dem Lande ermöglicht. Dieses Schloss wird nun zur Zuflucht all jener unheilbar Kranken und Lebensmüden, die sich von der Gesundheitsindustrie mit ihren Leiden und ihren Schmerzen allein gelassen fühlen.
Dass unter diesen Todessehnsüchtigen sich ausgerechnet ein Filmregisseur befindet und der dann noch von Benoit Poelvoorde gespielt wird, weckt natürlich bei dem einen oder anderen Zuschauer Assoziationen, zumal der düstere Schwarzweiß-Look und der vollkommen dunkle und grimmige Humor von Kill Me Please an einen echten Klassiker des europäischen Arthouse-Kinos der 1990er Jahre erinnert: Wobei der wesentliche Unterschied zwischen Mann beißt Hund / C'est arrivé près de chez vous (1992, Regie: Rémy Belvaux, André Bonzel, Benoît Poelvoorde) und diesem Film auf den ersten Blick ziemlich offensichtlich ist: Während der letztgenannte der drei Regisseure als Serienkiller Ben damals selbst noch für Leichen sorgte, hat er es in Kill Me Please eilig, selbst zu einer solchen zu werden. Was ihm Dr. Krueger nur widerstrebend erfüllen will, da Demanet über seine Motivation zum Freitod ein klein wenig geschwindelt hat: Nicht eine unheilbare Krankheit, sondern eine vermeintlich läppische Trennung lässt ihn sich den Tod herbeisehnen. Für Krueger, der seinen Dienst an der leidenden Menschheit nach strengen moralischen Kriterien verrichtet und so zum Herr über Leben und Tod wird. Was Demanet schließlich dazu treibt, eine ungleich hässlichere, weil blutige Art des Abgangs zu wählen.

Wie in einem Kinderabzählreim geht es nun einem Patienten nach dem anderen ans Leben. Dabei sind die Abgänge selten so "schön" und voller Eleganz wie der von Monsieur Nora, der in den Armen einer jungen Studentin nach dem kleinen Tod auch den großen vollbringen darf. Der Sensenmann, so hat es den Anschein, lässt sich nur höchst ungern von distinguierten Medizinern ins garstige Handwerk pfuschen. Und so nimmt das organisierte Abkratzen im Todesschloss des feinen Dr. Krueger einen ganz und gar anderen Verlauf als geplant. Denn nicht immer sind es die Lebensmüden, die hier ins Gras beißen.

Lebensmüde war nach eigener Auskunft auch der Regisseur Olias Barco – nach der Fertigstellung seines Debütfilmes Snowboarder (2002) packte ihn die Todessehnsucht. Doch dann folgte er dem Rat des befreundeten Drehbuchautors Stéphane Malandrin, der eine verblüffend einfache Lösung für die Depressionen seines Freundes parat hatte: "Mach einfach einen weiteren Film." Wenn das mal so einfach wäre.

Weil die Finanzierung in seiner Heimat Frankreich sich mit solch einem sperrigen Thema äußerst schwierig gestaltete, siedelte Barco nach Belgien um, das sich in den letzten Jahren immer häufiger als Trutzburg und Hort des schwierigen, sperrigen, wagemutigen Kinos profiliert (Die Beschissenheit der Dinge, Ex-Drummer). Hier, wo es auch durch Dokumentarfilme wie Epilogue von Manno Lanssens eine öffentliche Diskussion um die Sterbehilfe gibt, war sein wilder Stoff richtig aufgehoben.

Kill Me Please als schwarze Komödie zu bezeichnen ist wohl eine gehörige Untertreibung, denn das Sterben ist nun mal – man verzeihe den Kalauer – eine todernste Angelegenheit. Und so oszilliert der Film zwischen galligem Humor, rüden Splattereinlagen und drastischem Surrealismus, der dem Plot immer wieder herrlich absurde Wendungen abringt. Die wiederum sorgen dafür, dass hier bei aller Bitterkeit kein Moment der Langeweile einkehrt. "Lasst den Vorhang herunter, die Farce ist zuende", so zitiert der lebensmüde Filmemacher Demanet zu Beginn des Films die letzten Worte des französischen Schriftstellers Francois Rabelais. Ein trefflich gewähltes Motto, das nur insofern nicht stimmt, weil es eigentlich am Ende dieses makaber-sarkatsischen Totentanzes steht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/kill-me-please