Klitschko

Nichts für Weicheier

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Was ist das für ein Sport, bei dem man sich die Schulter verletzen, die Nase brechen, ein Auge oder gar sein Leben verlieren könnte? Ein Sport, bei dem es darum dreht, den anderen mit Schlägen aus der Bahn zu werfen? Boxen ist eine Welt für sich, ein Buch mit sieben Siegeln. Was sich hinter den Kulissen abspielt und wie es in dem Leben eines Schwergewichtlers aussieht, hat Regisseur Sebastian Denhardt unter die Lupe genommen. Für seinen beeindruckenden Dokumentarfilm Klitschko hat er zwei Jahre lang die berühmtesten Boxbrüder der Welt begleitet.
Wer kennt Sie nicht, die beiden Profiboxer Vitali und Wladimir Klitschko? Bei ihren Kämpfen halten Millionen von Menschen den Atem an. Aber wer weiß schon etwas aus ihrem Leben, was Boxen für sie bedeutet und wie sie zu diesem Extremsport gekommen sind. Genau das erfahren wir aus diesem Film, der nicht nur für Klitschko- oder Boxfans interessant ist. Regisseur Denhardt erzählt eine, oder besser gesagt, zwei beeindruckende Lebensgeschichten, die von Aufstieg und Niederlagen, von triumphalen Comebacks und Karrieretiefs gekennzeichnet sind.

Der Film begleitet die Brüder in Deutschland, wo sie in Hamburg seit 1996 leben, aber auch nach Kasachstan, wo Wladimir geboren wurde, in die Ukraine, in der sie Teile ihrer Kindheit verbrachten, die USA, wo sie den Weltmeistertitel gewannen und nach Kanada, Österreich und in die Schweiz. Denhardt lässt die Brüder aus ihrem Leben erzählen und auch ihre Eltern, Weggefährten, Trainer, Freunde, Journalisten, Promoter und sportlichen Gegner kommen zu Wort.

Das Kämpfen wurde den beiden Brüdern quasi in die Wiege gelegt. Der Vater, ein hochrangiger Offizier in der Armee, bläute seinen Söhnen schon frühzeitig Disziplin und Kampfgeist ein. Wenn sie kämpfen, dann müssten sie als Sieger vom Platz gehen, immer!

Die Kindheit der Brüder war geprägt von vielen Umzügen. Immer wieder mussten sie sich neu einleben. Schon in seiner Kindheit bekam der größere, fünf Jahre ältere Bruder Vitali von seinen Eltern die Aufgabe, auf seinen kleineren Bruder Wladimir aufzupassen. Was er jetzt immer noch tue, wie er selbst sagt, da ihn seine Eltern wohl nie offiziell von der Aufgabe entbunden hätten.

Profiboxer wie die Klitschko-Brüder sind Naturgewalten. Und sie wissen, dass, wer im Boxen Erfolg haben will, alles geben muss. Bei diesem Ego-getriebenen Sport regieren die Gesetze eines knallharten Wettkampfes. Wer hier nicht präsent und leidenschaftlich genug ist, der verliert. Und der Kampf kann manchmal mit einem einzigen Schlag entschieden sein. Der Film arbeitet diese Aspekte wunderbar heraus. Es ist nun mal eine blutige, brutale Angelegenheit, an der sich Millionen von Menschen im aufgeheizten Stadion oder vorm Fernseher ergötzen. Das ist schon sehr skurril.

Es ist erstaunlich, wie die beiden Brüder überhaupt zu dieser brachialen Sportart gekommen sind und ihr das eigene Leben ganz gewidmet haben. Die meisten Boxer kämpfen aus einer Notlage heraus, weil sie keine andere Wahl hatten. Was die Klitschkos von den anderen unterscheidet, sind feine Tugenden. Regisseur Denhardt sagt selbst dazu: "Es sind Tugenden, die in unserer modernen Welt an längst vergangene Zeiten erinnern. Es geht um Werte wie Ritterlichkeit, Disziplin und Zielstrebigkeit. Es geht um Kraft und Kultur, um Vernichtungswillen und Intelligenz."

Sie sind Gentlemen, promovierte Doktoren, die vier Sprachen sprechen und ihrer Mutter das heilige Versprechen gegeben haben, niemals gegeneinander zu kämpfen. Und vor allem sind sie Brüder, die einander lieben und sich unterstützen. Sie sind trotz ihres Erfolges auf dem Boden der Realität geblieben. Vielleicht haben wir sie deswegen so sehr ins Herz geschlossen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/klitschko