The Artist (2011)

Mitreißende Verbeugung vor den goldenen Zeiten des Kinos

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Vom ersten Moment der Titelsequenz an lässt dieser Film keinen Zweifel daran, welches seine Vorbilder sind - die Filme aus dem goldenen Zeitalter Hollywoods, als Mythen geboren und Stars geschaffen wurden. Einer dieser Stars ist George Valentin (Jean Dujardin), der es in den Tagen des Stummfilms zum Frauen- und Leinwandliebling bringt und mit einer Geste, einem Zwinkern, einem Schulterklopfen die Welt und alle Herzen im Sturm erobern kann.

Bei einer Premiere begegnet ihm zufällig die hinreißende Peppy Miller (Bérénice Bejo), eine Frau mit strahlendem Lächeln, die ihrerseits selbst das Zeug zum Leinwandliebling hat und (wie alle Welt) natürlich in George verliebt ist. Mit großer Leichtigkeit gelingt Peppy der Einstieg in die Filmwelt und der Aufstieg zu einem der umumstrittenen Stars - was unter anderem auch daran liegt, dass sie genau in jener Phase ihre Karriere startet, in der der Tonfilm mit Macht an die Pforten der Filmstudios klopft. Sie ist bereit, den Schritt zu gehen. Und genau das ist ihr Glück.

George hingegen ist ein Star vom alten Schlag, der die Entwicklung zu den "Talkies" nicht mitgehen will, weil er nicht erkennt, dass die Zeiten sich geändert haben. Im gleichen Maß, in dem Peppy nun die Karriereleiter Stufe für Stufe erklimmt, geht es mit George bergab. Zunächst überwirft er sich mit seinem Produzenten (John Goodmann), dann floppt sein selbst produzierter (Stumm)Film, anschließend trennt sich seine Frau von ihm (mit der durchaus doppeldeutigen Begründung, er weigere sich ja immer zu reden) und dann erfolgt auch noch der finanzielle Ruin - so schnell kann es gehen mit dem sozialen Abstieg.

Doch zum Glück gibt es Peppy, die immer noch in George verliebt ist und die ihr Idol und ihre Liebe trotz ihrer steilen Karriere nicht vergisst. Wie ein Schutzengel (es ist beinahe zwangsläufig für die liebevolle Detailversessenheit von The Artist, dass einer der Filme Peppys dann auch "The Guardian Angel" heißt) wacht sie über sein Leben, versucht ihn zum Umdenken zu bewegen und seiner ins Stocken geratenen Karriere wieder auf die Sprünge zu helfen. George allerdings, der erfolgsverwöhnte Star, ist zu stolz, um die ausgestreckte Hand zu ergreifen...

Michel Hazanavicius Film The Artist ist eine hinreißend spritzige Hommage an das alte Hollywood und imitiert den Stil, den Tonfall und die Plots jener Zeit in perfekter Weise und mit viel Humor. Dieses Märchen ist natürlich hemmungslos naiv, zugleich aber auch so augenzwinkernd selbstironisch, so dass man den schwungvollen Tonfall, die liebevolle Ausstattung, die wirklich jeden Aspekt des Films umfasst, und seine Leichtfertigkeit, mit der sich hier jedes Problem in Luft auslöst, für die Laufzeit gerne mitmacht. Denn der Film erinnert uns daran, was Kino auch ist: eine Verführung zum Träumen, eine Ablenkung, eine Illusion, eben ein Märchen.

Und wie in jedem Märchen steckt in The Artist auch ein kleines Stückchen Wahrheit und Gegenwartsbezug. Denn auch heute steht Hollywood, steht das Kino vor einem Umbruch, einer Zeitenwende, nach der nichts mehr so sein wird, wie es vorher war. Allerdings, so muss man vermuten, lässt sich diese Zäsur kaum so leicht weglächeln. Sei's drum, für 100 Minuten kann man das doch gerne mal verdrängen. Und kommt zumindest für kurze Zeit beschwingt und frohen Herzens aus dem Kino.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-artist-2011