Dame, König, As, Spion

Spione unter sich

Eine Filmkritik von Festivalkritik Venedig 2011 von Patrick Wellinski

Man kann sich nur schwer eines Filmes entsinnen, der es in letzter Zeit derart schnell geschafft hat, einen in seine Welt zu werfen, so wie es dem Schweden Tomas Alfredson in seiner feuchtkalten John le Carré Verfilmung Dame, König, As, Spion gelingt. In sehr fließenden Kamerabewegungen werden die ersten Figuren eingeführt; in ganz minimalistischen Einstellungen ein Attentat auf einen britischen Agenten in Budapest inszeniert; und schon findet man sich inmitten der Wirren des Kalten Krieges wieder.
Der Spionage-Plot folgt in erster Linie dem undurchschaubaren britischen Geheimagenten George Smiley (Gary Oldman), der versucht, unter seinen Kollegen an der Spitze des MI6 einen sowjetischen Maulwurf zu enttarnen. Dafür zieht er sich mit seinem Helfer (gespielt vom BBC-Sherlock Holmes Benedict Cumberbatch) zurück und forscht unnachgiebig nach möglichen Hinweisen auf die Identität des Spions.

Dame, König, As, Spion ist ein erstklassiger Ausstattungsfilm geworden. Die Kamera folgt den Figuren durch eine dunstige Welt, die fast ausschließlich aus düsteren, heruntergekommenen Bars und verstaubten englischen Herrenhäusern besteht. Die Agenten treffen sich für ihre Besprechungen in vom Nikotin geschwärzten und abrissreifen Häuserblöcken. Und ihre Zentrale befindet sich in einem geheimen Bunker, den sie "den Zirkus" nennen. Es ist genau dieses herausragende Gespür für das kleinste Detail, das Alfredsons Verfilmung ausmacht. Tom Brown, dem Art Director des Films, gelingt eine staubig akkurate Visualisierung des trockenen Stils der le Carré-Vorlage. Und selbst der minimalistische Soundtrack von Pedro Almodóvars Stammkomponisten Alberto Iglesias fügt sich nahtlos in das stimmige Gesamtkonzept der Inszenierung.

Der Film verfügt zudem über eine erstaunliche Riege an Top-Darstellern, die sich hier um Gary Oldman versammeln und ihm mit vereinten Kräften vielleicht sogar einen Oscar bescheren könnten. Denn obwohl Colin Firth, Tom Hardy, Toby Jones, Ciaran Hinds und John Hurt alle hervorragende Arbeit abliefern, so lässt es sich nicht von der Hand weisen, dass der wahre König in dieser Geschichte Gary Oldman ist. Dabei reflektiert sein ruhiges, aber intensives Spiel in die trockene, lakonische Inszenierung Alfredsons, der hier auf fast alle genreüblichen Dynamisierungen und Dramatisierungen verzichtet. Einem Schachspieler gleich genießt es der Regisseur sichtlich, mit verschiedenen Zeitebenen zu spielen, ohne dabei ständig den Zuschauer über die Chronologie der Ereignisse zu informieren. Nur wer ein ausgesprochener Fan der Vorlage ist, wird sich in diesem schnell orientieren können. Schön ist dabei auch, dass nie der Anschein erweckt wird, dass hier mit ordentlich viel Geld und Stars ein bekanntes Buch verfilmt wird, dessen Zweck es einzig und allein sein wird, bei den Oscars abzuräumen. Allein deshalb würde man ihm jeden Sieg wünschen.

Alfredsons Film wirkt frisch und unverbraucht, was erstaunlich ist, wenn man in Betracht zieht, dass gerade dieses le Carré-Werk schon relativ häufig Pate für prominente Verfilmungen stand. Am bekanntesten ist da vielleicht noch die britische Fernsehserie aus den 80er Jahren. Aber Tomas Alfredson verfolgt seine ganz eigenen Ideen und Visionen mit dem Stoff. Als Schwede erweist er sich zudem als erstaunlich genauer Beobachter des britischen Benehmens, so dass man Dame, König, As, Spion auch gerne als hochunterhaltsame und sehr intuitive Verhaltensstudie akzeptiert. Wer hätte gedacht, dass da erst ein Schwede kommen muss, der mit einem Vampirfilm (So finster die Nacht) für einiges Aufsehen gesorgt hat, um einen der besten und unterhaltsamten Spionagefilme der letzten Zeit zu drehen.

(Festivalkritik Venedig 2011 von Patrick Wellinski)

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dame-koenig-as-spion