Hell

In der Hitze der Postapokalypse

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Hell, so heißt Tim Fehlbaums Kinodebütfilm. Ein klug gewählter Titel, den man so oder so verstehen kann. "Hell" steht hier für "lichtdurchflutet", doch es könnte ebenso gut das englische Wort für Hölle sein. Denn genau so mutet die Welt an, die der Film hier beschreibt.
Die Sonne hat sich aufgeheizt, ihre unglaubliche Strahlkraft hat auf der Erde alles getötet, alles verbrannt, was vorher einmal Leben war. Es gibt keine Regierungen mehr, keine Staaten oder Gesellschaften. Nur eine Menge versprengter Überlebender, die täglich ums Überleben kämpfen. Unter ihnen sind Marie (Hannah Herzsprung), ihre kleine Schwester Leonie (Lisa Vicari) und Maries überforderter Freund Philipp (Lars Eidinger). In einem verdunkelten Auto mit letzten Essensvorräten sind sie auf dem Weg in die Berge. Dort soll es angeblich noch Wasser geben. Auf dem Weg treffen sie auf Tom (Stipe Erceg), den sie mitnehmen. Nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil Tom im Tausch dafür Benzin und seine mechanischen Fähigkeiten anbietet. Als die Gruppe am Waldrand ankommt, geraten sie in einen Hinterhalt.

Hell, so möchte man meinen, ist The Road, nur andersherum. Hier stirbt die Sonne nicht, sondern strahlt immer heftiger. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sind quasi dieselben. Statt der in The Road zentralen Vater-Sohn-Konstellation sind die ProtagonistInnen hier Marie und ihre kleine Schwester – das letzte Stück Kernfamilie und damit die Keimzelle der Menschlichkeit, die es unter allen Umständen zu retten gilt. Der Hinterhalt am Waldrand – nun ja, auch hier gibt es nicht allzu viele Unterschiede. Doch die Tiefe der Aussagekraft von The Road, zum Beispiel in Sachen Umweltverschmutzung, kann und möchte Fehlbaums Film gar nicht erreichen. Das kann man ihm durchaus negativ auslegen, muss man aber nicht zwangsläufig.

Es kann wohl mit Fug und Recht behauptet werden, dass das Genre des post-apokalyptischen Films repetitiv ist und immer wieder die gleichen Geschichten erzählt, mit den selben Grundängsten spielt, die selben Bilder reproduziert. Es ist eine Art psychoanalytischer Wiederholungszwang, der sich hier ins Kino einschleicht. Die Erfahrung, das Leben nach der Apokalypse wird reproduziert, immer und immer wieder. In diesem Sinne erledigt Hell seine Arbeit tadellos.

Und so stellt sich auch hier wieder die Frage wie der Mensch reagiert, wenn seine Existenz massiv bedroht ist. Sind Konstrukte wie Moral, Demokratie und Liebe überhaupt aufrecht zu erhalten? Verhandelt werden die zwischenmenschlichen Fragen vor allem durch das Pärchen Marie und Philipp. Es stellt sich die Frage, in wie weit ihre Verbindung mit Liebe oder doch eher mit Opportunismus zu tun hat. Vor allem in der Konstellation mit ihrer Schwester, ihrem eigen Fleisch und Blut, kommt es schon bald zu Spannungen, die durch das Zusammentreffen mit einer noch halbwegs intakten (im Sinne von lebendigen) christlichen Familie dem Familienthema nochmals einen ganz anderen Dreh geben. Sämtliche Charaktere in Hell fungieren als statische Identifikationsflächen mit bestimmten Stereotypen. Viel Entwicklung der Figuren innerhalb des Filmes ist nicht zu erwarten – von der Hauptprotagonistin Marie abgesehen, die mal zart, mal stark, eine klassische "Final Girl"- Genese durchlebt und sich aufgrund des Horrors, dem sie ausgesetzt ist, zu einer Überlebenskämpferin mausert.

Auch ästhetisch bietet Hell grundsolide Arbeit, die Atmosphäre ist geprägt von Hitze und Helligkeit, die Bilder sind manchmal so durchflutet von dem gleißenden Licht, dass das Geschehen nur noch schemenhaft wahrnehmbar ist. Der Film kommt im Grundton ruhig daher, fast scheint es so, als wäre es zu heiß, um sich schneller zu bewegen. Auch der Ton, beziehungsweise die Stille überzeugt und trägt zur glutheißen, apokalyptischen Atmosphäre bei. Handwerklich überzeugt das Werk auf ganzer Linie.

Hell, übrigens eine Produktion von Roland Emmerich und deshalb mit einem Budget ausgestattet, von dem andere Erstlingsregisseure nur träumen können, ist nicht überraschend oder erfindet sich neu. Aber er bietet genau das, was man sich von diesem (zumal in Deutschland selten bis nie behandelten) Genre vorstellt. Und ganz nebenbei bemerkt: Es empfiehlt sich, vor Filmantritt eine Flasche Wasser zu kaufen. Mindestens.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/hell