Sleep Tight

Der böse Mann von der Empfangstheke

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Man kennt ja das klassische Bild der Concièrge im Film: Meist ist sie eine etwas grantige Person, nicht eben gleich zugänglich für die Fragen und Sorgen der Hausbewohner, gerne auch mal weich und verständnisvoll. Fast immer aber wird sie am Ende der 90 Minuten die Probleme des Hauses zum Besseren gewandt haben. Der Horrorfilm freilich kann sich mit solchen Lösungen nicht zufrieden geben, und so liest sich Jaume Balaguerós Sleep Tight (Mientras Duermes) wie ein Gegenentwurf heilen Welten à la Die Eleganz der Madame Michel- als bösartiges, schwarzhumoriges Weltuntergangsszenario in den Grenzen eines einzelnen Wohnhauses.
César (Luis Tosar) ist hier Concierge und Hausmeister, wohl irgendwo in Madrid, und er hat keinen leichten Stand. Einer der Bewohner – wohlhabend sind sie hier allesamt – hat ihn auf dem Kieker und bezweifelt seine Kompetenz, die Stelle auszufüllen; er beginnt, Césars vorherige Arbeitsstellen nachzuprüfen. Gelegentlich muss er nach den Hunden einer älteren Dame sehen, die alle an Verdauungsproblemen leiden, und dann ist da natürlich noch Clara (Marta Etura), die einfach nicht unglücklich werden will, so sehr César sich auch anstrengt. Und er bemüht sich sehr. Nachts betäubt er sie mit Chloroform und legt sich zu ihr ins Bett, später wird er Kakerlaken in ihrer Wohnung freisetzen. Dabei kann er doch, wie er seiner apathisch im Krankenhaus liegenden Mutter erklärt, nur zufrieden sein, wenn alle um ihn herum ebenso unglücklich sind wie er selbst.

Ein freundlicher Psychopath ist dieser Mann, der alle seine Taten mit gutem Gewissen begeht und zwar versteht, dass die Gesellschaft sie womöglich nicht akzeptieren könne – gekonnt weicht er den Ermittlungen der Polizei aus, die nach dem Menschen suchen, der Clara anonyme Briefe und E-Mails schreibt –, der aber zugleich keinerlei Unrechtsbewusstsein mitbringt. Im Gegenteil, in seiner ganz auf sich selbst bezogenen Welt ist das, was er tut, die einzig denkbare Handlungsoption.

Der 1968 geborene Spanier Balagueró ist außerhalb seines Heimatlandes vor allem für die ersten beiden [REC]-Filme bekannt, und diese Bekanntheit dürfte es auch ermöglicht haben, dass Sleep Tight Aufmerksamkeit und gar einen Kinostart in Deutschland finden konnte. Und obgleich sich der Schrecken hier, wie im ersten [REC] ganz auf das Gebiet eines Mietshauses beschränkt, ist es doch ein gänzlich anderer Horror, mit dem wir hier konfrontiert werden. Statt des Schreckens einer Seuche, die die Menschen zu zombieartigen Monstren macht, sitzt das Böse hier mit freundlichem Gesicht im Hauseingang und webt, einer Spinne gleich, ein Netz feiner Intrigen und Täuschungen.

Dass Balagueró dabei fast durchgehend der Perspektive und Wahrnehmung von Cesar folgt, ist ein feiner Trick; gelegentlich gelingt es ihm sogar, uns mit ihm sympathisieren zu lassen – oder wenigstens zittern wir mit ihm in den Momenten, in denen sein Spiel der Täuschungen und Bösartigkeiten entdeckt zu werden droht. Vor allem eine Situation gibt es, in der sich Cesar verplappert und fast verrät, in der dies viszeral spürbar wird. Zugleich liegt aber darin auch das entscheidende Problem von Sleep Tight, denn dass man dem Film in dieser Art emotional folgen mag, ist keineswegs zwingend. Da der Film auch stets im Blick behalten muss, wie abgründig und bösartig Cesars Tun ist, und damit zu seinem Protagonisten auch immer wieder Distanz aufbaut, operiert er stets am Rande des Scheiterns.

So lässt sich Sleep Tight vor allem dann als gelungenes Experiment ansehen, wenn man ihn als Gegenentwurf eben zur heilen Welt jener bürgerlichen Existenz liest, in der der Concierge ihre Unzulänglichkeiten und Brüche von außen heilend zu lindern versteht. Das ist ein bösartiger Blick, der sich aber jeder sozialen Bewertung verweigert: Cesar tut ja nichts, weil er sich benachteiligt fühlt oder weil er den Bewohnern seines Hauses ihren Besitz und ihre Sicherheit neidet. Stattdessen ist er einfach ein Mann mit der Mission, andere unglücklich zu machen. Das trägt seinen ganz eigenen Schrecken.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/sleep-tight