Tyrannosaur - Eine Liebesgeschichte

Die Allgegenwärtigkeit der Gewalt

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Fluchend verlässt der betrunkene Joseph (Peter Mullan) einen Pub. Er weiß nicht, wohin mit seinem Zorn, seiner Wut und tritt seinen Hund so brutal in den Bauch, dass er stirbt. Joseph bedauert am nächsten Tag sein Handeln, doch er kann seinen Zorn und Selbsthass nur selten kontrollieren. Nach einem weiteren Gewaltausbruch sucht er einen Moment der Ruhe in dem Wohltätigkeitsladen der gläubigen Hannah (Olivia Colman). Sie schenkt ihm ein Lächeln, betet für ihn und meint es gut mit ihm. Doch auch sie wird von Joseph letztlich verhöhnt und beschimpft. Dann verlagert sich die Perspektive in Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte auf Hannah. Schnell wird deutlich, dass sie nicht das "cosy life" führt, das Joseph ihr vorgehalten hatte. Zwar lebt sie in einem schönen Haus in einem wohlhabenden Viertel, aber sie wird von ihrem Ehemann James (Eddie Marsan) grausam missbraucht. Während Josephs Stimmungsschwankungen beängstigend sind und seine Impulsivität sein größter Feind ist, ist James‘ Sadismus von erschreckender Gleichgültigkeit und Berechenbarkeit. Und Hannah nimmt diese schonungslosen Qualen mit stoischer Demut hin – bis ihre gesamte Verzweiflung aus ihr herausbricht. Hilfesuchend wendet sie sich schließlich an Joseph, doch dessen rauer Charme und mitunter verletzende Direktheit verhindern eine allzu glatte Lösung des Dramas.
In Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte herrscht ein härterer Ton als in vielen anderen Sozialdramen, zumal Paddy Considine in seinem Regiedebüt die üblichen Klischees vermeidet. Stattdessen hält das Drehbuch einige überraschende, aber niemals unglaubwürdige Wendungen bereit, die klug in den Handlungssträngen angelegt sind und die Erwartungen des Zuschauers mehrfach unterlaufen. Schon die im Untertitel angekündigte "Liebesgeschichte" ist keine romantische Liebelei, sondern die Freundschaft von zwei unglücklichen, gequälten Seelen. Dabei überzeugt Olivia Coleman – bislang vor allem durch Komödien wie Hot Fuzz bekannt – als gedemütigte Ehefrau vollends. Sie ist auf den ersten Blick sympathisch und wirkt offen. Doch allmählich durchbrechen die Abgründe ihre freundliche Fassade – und offenbaren die furchtbaren Folgen jahrelanger Misshandlungen.

Doch auch Joseph leidet Qualen, wenngleich er für sie selbst verantwortlich ist. Für alle Menschen, mit denen Joseph gute Beziehungen hat – der Nachbarsjunge, sein bester Freund und auch Hannah –, ist Gewalt alltäglich. Er beobachtet an ihnen die Folgen von Gewalt und Abstumpfung und ist sich zugleich bewusst, dass er auch Menschen Gewalt angetan hat. Es ist nicht leicht, sich mit einer Figur zu identifizieren, die zu Beginn eines Films einen Hund tötet. Aber die differenzierte Charakterzeichnung und Peter Mullans nuanciertes Spiel verdeutlichen Josephs guten Kern und erlauben ein hohes Maß an Empathie. Daher sind Josephs verzweifelte, wenngleich hoffnungsvolle Versuche, seinen Dämonen Herr zu werden, berührend und überzeugend.

Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte ist ein aufwühlender Film, der viele große Themen verhandelt: Gewalt, Liebe, Vergebung und Hoffnung. Dabei durchzieht den Film eine Anspannung, die die unberechenbaren Gewaltausbrüche in den Leben aller Figuren erzeugen. Dennoch ist Paddy Considines Film kein bedrückendes Sozialdrama, sondern inmitten der erschütternden Sequenzen gibt es Momente voller berührender Wärme. Das Binden einer Krawatte wird zu einem Moment der Intimität und scheuen Annäherung. Oder wenn Joseph, seine Nachbarn und Hannah nach einer Beerdigung in einem Pub zusammen trinken, singen, tanzen, lachen und weinen, sind die Hoffnung und der kurze Moment des Glücklichseins zu spüren. Und es sind diese frohen Szenen inmitten der harten Realität, die von diesem eindrucksvollen Independentfilm in Erinnerung bleiben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/tyrannosaur-eine-liebesgeschichte