Eine ganz heiße Nummer (2011)

Drei Frauen telefonieren sich aus der Wirtschaftskrise

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Produkte aus der Region sind beim Verbraucher gefragt, also werben drei Frauen im Bayerischen Wald mit dem Slogan "Das Allerbeste aus unserer Heimat" für ihr neues Geschäft. Etwas Feines wie Honig erwartet den Kunden, der die auf den Flyern angegebene Telefonnummer wählt, auch im weiteren Sinne, denn es melden sich "Maja, wie die Biene, nur viel heißer", oder ihre Kolleginnen Lady Sarah und Lolita. Telefonsex ist die Antwort von Maria (Bettina Mittendorfer), Waltraud (Gisela Schneeberger) und Lena (Rosalie Thomass) auf die Wirtschaftskrise und die Kündigung des Bankkredits für ihren Tante-Emma-Laden in Marienzell.

Nach seiner Erfolgskomödie Friendship!, die zwei junge Ostdeutsche kurz nach dem Mauerfall nach Amerika führte, inszeniert Regisseur Markus Goller wieder eine Art Grenzüberschreitung. In Niederbayern wagen sich zwei gestandene Mitglieder des katholischen Frauenbundes und eine junge Unschuld vom Lande ins erotische Gewerbe vor. Am Ort darf niemand wissen, wer die Nestbeschmutzerinnen sind. Und der Dekan soll bei seinem Besuch eine heile Welt vorfinden, der alles Unsittliche fremd ist. Die Gemeinde, deren Glashütte schließen musste, hofft nämlich, den Auftrag für die neuen Fenster des Regensburger Doms zu ergattern.

Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman von Andrea Sixt, die auch das Drehbuch schrieb. Schlüpfriges und Obszönes ist allerdings kaum zu befürchten, der Film achtet noch viel mehr als der Roman darauf, kruden Sexjargon zu vermeiden und die drei Frauen nicht als triebhaft erscheinen zu lassen. Insofern erinnert die Komödie an den unschuldigen Charme des Schweizer Films Die Herbstzeitlosen über einen Dessousladen im Emmental. Vor allem die Figur der Maria, einer geschiedenen Frau mit jugendlicher Tochter und einem pflegebedürftigen Vater, verkörpert einen herzensguten Menschen, der selbst bei ausreichender Freizeit wohl kaum nur nach simpler Lustbefriedigung trachten würde. Die resolute Waltraud drücken neben finanziellen auch Eheprobleme, die um Sex und ums Älterwerden kreisen. Die hübsche Blondine Lena kleidet sich zwar betont aufreizend, ist aber ein gottesfürchtiges und gutgläubiges Mädchen, das seine wahre Größe erst im Laufe der Handlung entdeckt.

Dieses hervorragend besetzte Frauentrio mit seinen pragmatischen und lebensnahen Wortwechseln ist an sich schon ein Vergnügen. Aber Eine ganz heiße Nummer präsentiert darüber hinaus ein dörfliches Ensemble mit witzigen oder auch satirisch überzeichneten Figuren, die nicht zuletzt wegen ihrer bayerischen Sprachfärbung originell und realitätsnah wirken. Mit der Entscheidung für – übrigens leicht verständliche - Mundart bricht Goller mit dem alten, immer schon fragwürdigen Gebot, einem gesamtdeutschen Publikum keinen alpenländischen Dialekt zuzumuten. Wie der Regisseur selbst stammen auch die Darsteller allesamt aus Bayern oder dem benachbarten Österreich. Bis in die Nebenrollen hinein grüßt ein Who's Who der süddeutschen Bühnenszene von der Leinwand: Der Kabarettist Sigi Zimmerschied stellt den bigotten und geldgierigen Pfarrer dar, seine Kollegin Monika Gruber spielt die kontrollwütige Bürgermeistersgattin Gerti, als deren Freundin tritt die mit den Filmen von Klaus Lemke in den 1970er Jahren berühmt gewordene Cleo Kretschmer auf.

Die Situationskomik speist sich aus entlarvenden Widersprüchen, etwa wenn Lena in der Kirche ihre Unkeuschheit beichten muss und der Pfarrer währenddessen zufrieden den Klingelbeutel plündert. Und auf die Idee mit dem Telefonsex brachten Maria unter anderem auch die Pornohefte ihres bettlägerigen Vaters (Peter Mitterrutzner). Mit den an Volkstheater und Posse erinnernden Mitteln erweitert Goller das Themenspektrum des Heimatfilms um erfrischende Kontroversen mit Gegenwartsbezug. Damit festigt er den vor allem von Marcus H. Rosenmüller eingeschlagenen Weg. Die dörfliche Idylle und die schöne Naturlandschaft bleiben dabei weitgehend intakt, aber die rebellische, freiheitsliebende Ader der Menschen bildet ein deutliches Gegengewicht zu konservativer Verkrustung.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/eine-ganz-heisse-nummer-2011