Die Tribute von Panem - The Hunger Games (2012)

Gelungener Auftakt eines möglicherweise kommenden Klassikers

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Stephen King bezeichnete die literarische Vorlage zu Die Tribute von Panem als durchweg so spannend, dass man die Romane nur schwer wieder aus den Händen legen könne. Recht hat er! Kein Wunder, dass die Trilogie der Autorin Suzanne Collins im Handumdrehen eine riesige Fan-Gemeinde gewinnen konnte. Die Erwartungen an die Verfilmung des ersten Teils der düsteren Zukunftsvision sind dementsprechend groß. Umso schöner, dass der erfahrene Regisseur Gary Ross (Pleasantville, Seabiscuit) sich des Projekts angenommen und eine Kinoversion geschaffen hat, die der Vorlage auf ganzer Linie gerecht wird.

Die Geschichte von Die Tribute von Panem spielt in einer unbestimmten Zukunft. Nordamerika ist zerstört. Aus den Trümmern erhob sich das Land Panem, das aus der Hauptstadt Capitol und ursprünglich 13 Distrikten bestand. Nach einem Aufstand wurde ein Distrikt vernichtet. Um an die Schuld der Distrikte zu erinnern, veranstaltet Capitol einmal im Jahr die sogenannten Hungerspiele, bei denen 24 Jugendliche – aus jedem Distrikt ein Mädchen und ein Junge – in einem Kampf auf Leben und Tod gegeneinander antreten. Bei den 74. Hungerspielen passiert etwas Unerwartetes: Damit ihre jüngere Schwester Prim (Willow Shields) nicht an den Hungerspielen teilnehmen muss, meldet sich die 16-jährige Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) freiwillig als Tribute.

Schon die Grundprämisse der Geschichte ist über alle Maßen beklemmend. Und soviel sei dem zartbesaiteten Zuschauer schon jetzt verraten: es wird nicht besser. Wer das Buch kennt, weiß, was ihn erwartet. Auch wenn im Film auf zu explizite Szenen verzichtet wird, ist die Atmosphäre derart hoffnungslos, dass ein dicker Kloß im Hals und feuchte Augen vorprogrammiert sind. Die Tribute von Panem - The Hunger Games ist auf jeden Fall kein typischer Blockbuster, dafür ist die Geschichte zu düster, zu unerbittlich und zu konsequent. Gary Ross hat schon in seinen anderen Filmen bewiesen, dass er ein guter Handwerker ist. Wenn er Filme macht, dann steht die Inszenierung ganz im Dienste der Geschichte. Ross hält sich, bis auf einige Details, inhaltlich sehr nah an die Romanvorlage. Der eine mag sich wünschen, dass der Regisseur hier und da etwas mutiger und experimentierfreudiger gewesen wäre. Der andere mag die "Zeitlichkeit" des Romans vermissen, – erstrecken sich die Hunger-Spiele schließlich über einen Zeitraum von mehreren Wochen. Hunger, Durst und Erschöpfung werden im Buch zu den größten Feinden der Spieler. Aber alles geht nicht, dazu sind Roman und Film zu unterschiedliche Medien. Wichtiger ist, dass es Ross gelungen ist, die Essenz der Vorlage in den Film zu überführen.

Besonders die ambivalente Beziehung zwischen den Hauptfiguren Katniss und Peeta (Josh Hutcherson) ist sehr gut herausgearbeitet und eine große Stärke des Films. Jennifer Lawrence überzeugt in ihrer Rolle als kühle, strategisch denkende junge Frau. Aber auch die anderen Darsteller, unter ihnen Stars wie Donald Sutherland, Woody Harrelson und Lenny Kravitz stellen ihr Talent dezent in den Dienst der Sache. Was Ross und seinem Team in dem Film ebenfalls vortrefflich gelingt – und hier reicht das Ergebnis sogar über die Vorlage hinaus – ist, der Welt Panem und ihrer Perversität Leben einzuhauchen. Das wird besonders deutlich an der Monstrosität der Stadt und ihren dekadenten Bewohnern, bunten, degenerierten Snobs, die sich ganz der Realität der Spiele hingeben, dafür aber Mitgefühl, Barmherzigkeit und Scham völlig verdrängt haben. Der Individual-Charakter, der der großen, jubelnden Masse fehlt, der aber treffend über die ausgefallenen Kostüme illustriert wird, wird bei den Tributen kurz und prägnant in Szene gesetzt. Der Zuschauer erfährt über Katniss` Gegner nicht viel mehr, als sich das junge Mädchen durch die kurzen Begegnungen während des Trainings zusammen gereimt hat, aber die einschlägigen Charakterisierungen erweisen sich im Laufe des Films als absolut ausreichend, um den Mitspielern ein Gesicht zu geben. Auch wenn viele Grausamkeiten fast nebenbei passieren, spürt der Zuschauer doch, dass jedes Mal ein unschuldiger Mensch Opfer einer erbarmungslosen, unterhaltungssüchtigen Maschinerie geworden ist. Wer Ähnlichkeiten mit aktuellen politischen Systemen sehen möchte, darf das gerne tun.

Die Tribute von Panem - The Hunger Games ist eine starke, tragisch-spannende Roman-Adaption: spannend, emotional, todtraurig, aber trotzdem nicht rührselig. Es bleibt zu hoffen, dass die Fortsetzungen die Qualität des ersten Teils halten können. Dann wird Die Tribute von Panem in einigen Jahren zu den Klassikern der dystopischen Science Fiction gehören.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-tribute-von-panem-the-hunger-games-2012