Best Exotic Marigold Hotel

Altenheim auf Ausflug?

Eine Filmkritik von Melanie Hoffmann

Für die meisten Menschen gibt es eigentlich immer einen guten Grund, eine Urlaubsreise anzutreten. Nicht so für die sieben Protagonisten dieses Films, die alle – mehr oder weniger gezwungenermaßen – vom guten alten Vereinigten Königreich in die ehemalige Kolonie Indien aufbrechen. Sie alle sind bereits Rentner und versprechen sich vom exotischen Indien einen preiswerteren und zugleich luxuriöseren Lebensabend, als es in England ihren Möglichkeiten entspräche.
Die goldenen Lebensjahre, den Herbst des Lebens, in einem großartigen Luxushotel zu verbringen, das könnte sich die verwitwete Evelyn (Judi Dench) sehr gut vorstellen. Nach dem Tod ihres Mannes muss sie plötzlich feststellen, dass er sie in Sachen Finanzen nicht gerade gut versorgt zurückgelassen hat, sondern sogar noch einen Haufen Schulden hinterließ. Die weltoffene Evelyn stürzt sich nach kurzem Zögern aber nur allzu gerne in das Abenteuer der neuen Unabhängigkeit und sucht in Indien sogar eine Arbeitsstelle. Douglas (Bill Nighy) und seine Frau Jean (Penelope Wilton) haben statt großer Ersparnisse nur noch einander. Während er ganz genügsam auch in ein britisches Seniorenheim gezogen wäre, hat Jean noch Erwartungen ans Leben. Indien scheint ein passabler Ausweg und die neue Umgebung verspricht auch erfrischendere Gesellschaft als nur die ihres Mannes. Was diese drei und noch vier weitere britische Senioren aber in Indien erwartet, stand so nicht im Prospekt.

Regisseur John Madden, insbesondere bekannt durch Shakespeare in Love versammelte hier eine Riege aus alteingesessenen Schauspielern, die bereits einzeln jeden Film zu einem Glanzlicht des Arthouse-Kinos machen können. Allein Dame Judi Dench kann einen Film wahrlich adeln. Mit gleich sieben Stars schafft Madden hier einen Ensemble-Film, wie wir schon lange keinen gesehen haben. Und diesmal nicht im regnerischen oder gar vernebelten England, sondern im sonnig bunten Indien. Ganz geradlinig und ohne sich in viele Rückblenden zu verstricken, erzählt der Film, warum jeder einzelne sich ins ferne Indien aufmachen möchte oder auch muss. Für die meisten sind es schlicht finanzielle Erwägungen – ein Leben in Indien ist einfach erschwinglicher als in Großbritannien. Doch die etwas holprige Anreise stellt die Charaktere bereits von ihrer "besten" Seite dar. Klischees bleiben dabei nicht aus, doch vermag das die Sympathie den Figuren gegenüber nicht zu schmälern. Die fremdenfeindliche Muriel (Maggie Smith), die eigentlich nur für eine günstige Hüft-Operation in die Ferne reisen wollte, lehnt es ab, etwas zu essen, dessen Namen sie nicht aussprechen kann, hat sogar einen gewissen Vorrat an englischen „Delikatessen“ im Gepäck. Die meisten anderen begegnen aber der neuen Kultur ganz offen … bis sie im Hotel sind. Nun beginnen die Probleme eigentlich erst. Denn das Best Exotic Marigold Hotel hatte bisher gar keine Gäste und ist in einem miserablen Zustand. Überaus zuversichtlich geleitet wird es von Sonny (Dev Patel, bestens bekannt als Slumdog Millionär), doch diese Lebensfreude kann sich auf die Rentner nur bedingt übertragen. Und Sonny hat noch ganz andere Probleme. Der Bruder seiner Freundin ist von ihm nicht gerade begeistert. Und Hochzeiten aus Liebe haben in Indien ja nun nicht gerade eine lange Tradition.

Der Film ist ein echtes Feel-Good-Movie. Mit den Bildern Indiens, der Farbenpracht und den exotischen Klängen, der Hektik, die man aber nur auf der Leinwand sieht und vielleicht froh ist, sie nicht selbst zu erleben, bekommt man ein wenig Fernweh. In den sieben Reisenden findet jeder sich im ein oder anderen Klischee wieder. Verschiedene Handlungsstränge ziehen sich durch den Film, wodurch ein wenig das Gefühl eines Episodenfilms entsteht. Als Dreh- und Angelpunkt der verschiedenen Geschichten bringt das Hotel aber schnell wieder alle zusammen. Und Dev Patel setzt mit seiner Jugend und den typisch indischen Problemen einen Kontrapunkt innerhalb des Ensembles.

Der Film schafft es, ganz vieles auf einmal zu sein und sich nicht an seinen hohen Ansprüchen zu verheben. Insgesamt keine hohe Filmkunst, aber ein herrlicher Unterhaltungsfilm: als Roadmovie bringt er die Reisenden an ihr Ziel (was nicht nur örtlich zu verstehen ist), als Komödie unterhält er sein Publikum trefflich, als Drama nimmt er die Probleme seiner Figuren ernst und als Ensemble-Film bietet er nicht nur einem einzelnen Darsteller eine große Bühne. Best Exotic Marigold Hotel ist nicht nur für Rentner überaus empfehlenswert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/best-exotic-marigold-hotel