Work Hard - Play Hard

Schöne neue Arbeitswelt

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

"Work hard, play hard", so lautet in Anlehnung an die lateinische Weisheit "Laboris gloria ludi" eine schmissige Management-Formel, die suggeriert, dass wer hart arbeite, auch das Anrecht auf einen gewaltigen Ausgleich in Form von Freizeitvergnügen, Konsumfreuden oder sonstigen Trösterchen habe. Work-Life-Balance könnte man das auch nennen. Insofern ist der Titel von Carmen Losmanns sehenswertem Dokumentarfilm über die schöne neue Arbeitswelt fast ein wenig irreführend, denn hier geht es nicht um den Ausgleich zwischen Work und Life als Antipoden, sondern vielmehr um die zunehmende Verschmelzung dieser unterschiedlichen Lebensbereiche.
In den schönen neuen Arbeitswelten, die Carmen Losmann in Work Hard - Play Hard vorführt, ist alles anders, als wir das bisher gewohnt waren. Keine Stechuhren mehr, keine strengen Chefs, keine tristen Bürogebäude und keine unüberwindbaren Hierarchien trüben den Spaß an der Arbeit. Denn genau hierum geht es in dem Paralleluniversum, in das der Film entführt: Darum, welche raffinierten Strategien und ausgeklügelten Methoden heutzutage angewandt werden, um die Motivation und Leistungsbereitschaft der Ressource Mensch zu optimieren, um vielleicht noch ein Quantum mehr an Leistung aus den Arbeitnehmern herauszuholen.

Und so ist es dann auch nur konsequent, wenn in der Eröffnungsszene des Films die Interviewerin eines Assessmentcenters den Kandidaten fragt, was denn für ihn Arbeit bedeute. "Arbeit bedeutet für mich Freude", so lautet die Antwort, "ich arbeite gerne und ich habe auch gerne Erfolg in meinem Beruf."

Genau dieser Erfolg aber ist nichts, was die Unternehmen heutzutage dem Zufall überlassen. Die Optimierungen am Humankapital beginnen bereits in der Planungsphase neuer Firmenzentralen, wie wir am Beispiel der Unilever-Zentrale in der Hamburger Hafencity erfahren. Schon in der Auslobung der Anforderungen findet sich explizit der Hinweis, dass es bei dem neuen Firmensitz nicht allein um Funktionalität und repräsentative Aspekte geht, sondern auch um die Schaffung einer Atmosphäre, die sich positiv auf das Empfinden der Mitarbeiter und auf deren Leistungsbereitschaft auswirkt. Und beinahe hat man den Eindruck, dass es den Managern des Unternehmens am liebsten wäre, wenn für die Mitarbeiter die Unterscheidung zwischen Arbeit und Freizeit vollkommen obsolet werden würde.

Was folgt, ist ein kühl taxierender Exkurs durch Meetings und Assessment-Center, durch Schulungen, Beurteilungs- und Perspektivgespräche in Unternehmen verschiedenster Couleur. Immer wieder erklären einige der Protagonisten (meist aus dem Beraterumfeld) die veränderten Arbeitsbedingungen und die Maßnahmen, die ergriffen werden, um den Paradigmenwechsel in der immer mehr globalisierten und vernetzten Wirtschaft zu flankieren.

Ohne jeglichen Kommentar und fast ohne Musikuntermalung vertraut der Film allein auf die Aussagekraft seiner eiskalten, glasklaren Bilder und die Schlüssigkeit seiner Szenen und gewinnt damit fast auf ganzer Linie. Obgleich die Gespräche vom Manager-Neusprech geprägt sind und vielfach nur aus Slogans und schick klingenden Worthülsen zu bestehen scheinen, folgt man diesem "Roadmovie" durch die moderne Arbeitswelt auch dank seiner starken Bilder niemals gelangweilt, sondern zunehmend fasziniert.

Das Schöne an diesem Film: Obwohl es an sichtbarem kritischen Insistieren seitens der Regisseurin – etwa durch Zwischenfragen – vollkommen mangelt und trotz ihres Respekts für die Menschen, die sie filmt, fehlt es nicht an kritischen Zwischentönen und verräterischen Aussagen über das eigentliche Ziel dieser scheinbaren Hinwendung zum Menschen als Mittelpunkt von Management-Konzepten. Man muss eben nur sehr genau hinsehen und vor allem hinhören, um diese Zwischentöne zu erfassen.

Was bleibt, ist die Frage, ob die hier Gezeigten, ob wir selbst eigentlich merken, welche gigantische Manipulationsmaschine um sie, um uns herum aufgebaut worden ist. Der Eindruck, der nach diesem Film bleibt (und ehrlich gesagt haben wir das schon lange geahnt) ist, dass die Ausbeutung des Humankapitals heutzutage einfach nur wesentlich subtiler betrieben wird als im Industriezeitalter und dass wir selbst uns den Manipulationen, die uns umschmeicheln, längst nicht mehr erwehren können. Die Folgen sind allenfalls grob einzuschätzen und, wenn man es genau bedenkt, genauso paradiesisch wie erschreckend: Wenn die Arbeit im großen Stil zum Vergnügen umfunktioniert wird und nahezu alle Unterscheidungen zwischen Arbeit und Freizeit weggewischt werden, fallen unterm Strich sämtliche Gründe weg, warum wir nicht mal ab und zu nicht arbeiten sollten. Es ist ja das reinste Vergnügen...

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/work-hard-play-hard