Bela Kiss: Prologue

Mörder-Mär

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Horrorfilme aus Deutschland – das ist eine endlose Geschichte und leider seit einigen Jahren eine ohne Happy End, sondern mit vielen verpassten Chancen. Daran wird sich vorerst auch nichts ändern – schon gar nicht durch Lucien Förstners durchaus ambitionierten Genre-Versuch Bela Kiss: Prologue, der immerhin durch seine optischen Qualitäten halbwegs zu überzeugen weiß. Leider wiegt das die inhaltlichen und vor allem darstellerischen Schwächen nicht auf.
Der im Titel erwähnte Béla Kiss ist einer der berüchtigsten Serienmörder des 20. Jahrhunderts und wurde niemals gefasst. Auf die Spur des Blechschmieds aus Cinkota in Ungarn kamen die Behörden im Jahre 1916, als Kiss als Soldat aufgrund einer Namensverwechslung für tot erklärt wurde. Weil man in den großen Metallfässern, die Kiss vor dem Krieg auf seinem Anwesen gehortet hatte, umfangreiche Benzinvorräte vermutete, wurde eine Abordnung zu dem verlassenen Gehöft geschickt. Doch statt des Treibstoffs fanden sich in den Behältern die Leichen von Bélas Ehefrau Marie, deren Liebhaber und weiterer 22 Frauen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde bekannt, dass die Frauen zuerst um ihr Geld gebracht und dann nach Cinkota gelockt wurden, wo sie entweder vergiftet oder erwürgt wurden. Alle Versuche, den mutmaßlichen Täter zu verhaften, schlugen fehl, weil sich die Spur in den Wirren des Kriegs verlor. Bis heute ist völlig unklar, wann und unter welchen Umständen Béla Kiss verstarb.

Diese Geschichte bildet den Hintergrund zu Förstners Film, der die Ereignisse aus der Vergangenheit mit einer in der Gegenwart spielenden Handlungsebene verknüpft. Bei der dreht sich alles um eine Gruppe von fünf Bankräubern, die sich nach einem Coup auf der Flucht vor der Polizei in einem abgelegenen Hotel in den Wäldern verstecken wollen, das sonst vor allem ein Quartier für den stilvollen Ehebruch oder Seitensprung benutzt wird. Aus Gründen der Diskretion werden die Gäste des Etablissements mit den Namen von Märchenfiguren angesprochen. Doch das ist beileibe nicht die einzige Merkwürdigkeit in diesem Hotel, in dem, wie sich mit der Zeit herausstellt, der Geist des Serienmörders Béla Kiss allgegenwärtig zu sein scheint und bald schon das Leben der Kleinkriminellen bedroht...

So stilistisch ausgefeilt das Ganze optisch auch daherkommen mag, erzählerisch weiß Lucien Förstner den bekannten Vorbildern wie Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre, als dessen Fan sich der Filmemacher im Presseheft outet, nicht die geringste Originalität hinzuzufügen. Vielmehr wirkt der Film – abgesehen vom stilecht in Schwarzweiß gehaltenen Prolog – wie eine Fingerübung, bei der es darum geht, all die Genrekonventionen – vom Verschwinden der Gangmitglieder bis zum fast schon zur Karikatur gewordenen "final girl" - nacheinander einzufügen. Weil aber auch alle Darsteller lediglich wie Abziehbilder agieren und schon allein aufgrund ihrer Profession nicht als Sympathieträger taugen, verfolgt man das große Umlegen ohne emotionale Beteiligung und wegen des langen Vorlaufs, den die Geschichte benötigt, bis es endlich zur Sache geht, ohne rechte Spannung. Dann aber, in den letzten zehn Minuten schimmert auf, was aus diesem Film hätte werden können.

Vielleicht aber hat die Geschichte für Lucien Förstner dennoch einen guten Ausgang: Der Titelzusatz Prologue lässt vermuten, dass der junge Regisseur seine Mördermär fortsetzen wird. Falls er dabei seinen visuellen Stil beibehält und verstärkt an einem soliden Spannungsbogen sowie besseren darstellerischen Leistungen arbeitet, könnte eine Fortsetzung durchaus manches einlösen, was sich im vermuteten Auftakt nur andeutete.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/bela-kiss-prologue