Spieglein Spieglein - Die wirklich wahre Geschiche von Schneewittchen

Knallbuntes Pop-Märchen mit Haken und Ösen

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen kennt jedes Kind. Doch Spieglein Spieglein - Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen von Tarsem Singh erzählt eine etwas andere Geschichte. An ihrem 18. Geburtstag verlässt Schneewittchen (Lily Collins) erstmals das Schloss, das sie mit ihrer bösen Stiefmutter (Julia Roberts) bewohnt, und eilt im Winterwald einem jungen Mann (Armie Hammer) zu Hilfe, der sich später als Prinz herausstellt. Die sprühenden Funken bleiben auch von der Stiefmutter und bösen Zauberin nicht unentdeckt, weshalb diese Schneewittchen im Wald töten lassen und den Prinzen für sich gewinnen will. Bekanntermaßen aber kommt das hübsche Mädchen mit dem Leben davon und wird von sieben Zwergen aufgenommen, bei denen es sich in dieser Verfilmung um kleinwüchsige Banditen handelt.
Spieglein Spieglein - Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen ist ein echter Märchenfilm, dem Tarsem Singh hier durch den ihm eigenen Stil eine besondere Note verleiht. Er setzt die Figuren in eine Welt, die der Disney-Version in ihrer Künstlichkeit im Grunde in nichts nachsteht. Die ausgefallenen Kostüme und die größtenteils im Computer entstandene quietschbunte Kulisse sind ein echter Augenschmaus und bilden ein ideales Setting für die fantastische Geschichte. Einige Elemente, wie beispielsweise die Kampfkluft der Zwerge oder die Marionetten der bösen Stiefmutter erinnern in ihrem düsteren Flair an Figuren aus einem Tim Burton Film, doch an anderer Stelle ist der Bezug zu Werken von Tarsem Singh, beispielsweise The Cell, so deutlich, dass die eigene Handschrift des Regisseurs nicht zu verleugnen ist. Die ironische Distanz, die durch die augenscheinlich artifizielle Inszenierung entsteht, ist dem Thema des Films absolut angemessen. Spieglein Spieglein nimmt sich selbst nicht ernster, als dies für eine Märchenverfilmung angebracht wäre.

Julia Roberts trägt den Film, indem sie als böse Königin gekonnt gegen ihren Typ spielt und das humoristische Potential ihrer Rolle auszuschöpfen weiß. Dagegen muss Lily Collins als puppenhaftes Schneewittchen auch über den ihrer Figur eigenen Teint hinaus blass erscheinen. Charismatischer und somit interessanter für den Zuschauer gestalten sich die sieben Zwerge sowie die Figur des Brighton (Nathan Lane), der in dieser Version den Jägersmann ersetzt, durch den die Prinzessin zu Tode kommen soll. Auch Armie Hammer überzeugt als charmanter und zuweilen naiver Prinz, der das böse Spiel der Stiefmutter vorerst nicht zu durchblicken vermag.

Tarsem Singh hat mit Spieglein Spieglein - Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen einen Familienfilm erschaffen, dessen Humor sowohl Erwachsene als auch Kinder anspricht und der in seinen Kampfsequenzen zu Gunsten seines Zielpublikums auf explizite Gewaltdarstellung und Blutvergießen verzichtet. Indem die Zwerge als soziale Outcasts inszeniert werden, ist sogar ein zurückhaltender moralischer Input gegeben. Schneewittchen ist im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen eine emanzipierte Figur, die selbst das Schwert schwingt, ohne jedoch zur alleinigen Heldin der Geschichte aufzusteigen. So bleibt der Film seiner Vorlage trotz leicht abgewandelter Story durchweg treu.

Spieglein Spieglein - Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen schafft es, das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen zugleich auf eine neuartige Weise zu erzählen und doch durch und durch ein traditioneller Märchenfilm zu bleiben, dem es hauptsächlich darum geht, ein Publikum unterschiedlichen Alters zu verzaubern und zu unterhalten. Dass der kleine Twist am Ende des Films sich ziemlich vorhersehbar gestaltet, dürfte nur manchem erwachsenen Zuschauer ein Dorn im Auge sein und durch den Charme und Humor des Films aufgefangen werden.

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