Väter und andere Katastrophen

Vater gesucht

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Kurz nach dem Tod seiner Ehefrau entdeckt der steife Industrielle und Zwangsneurotiker Bernard (Francois Berléand) die Briefe eines Kindes, das in ihm seinen Vater sieht. Sofort begibt er sich auf die Suche nach seiner Tochter Chloé, mit deren Mutter er einst eine Sommerliebe erlebte. Durch einen Zufall begegnet er dem trinkfreudigen und arbeitslosen Koch Gustave (Gérard Jugnot), der ihn für den potentiellen Käufer seines Fahrzeugs hält. Er schüttet ihm sein Herz über seine Tochter aus, zu der er seit Jahren keinen Kontakt mehr hat – Chloé! Anscheinend hat Bernards Jugendliebe ihren Ehemann niemals aufgeklärt, dass er nicht der leibliche Vater von Chloé ist. Und auch Bernard schweigt. Zusammen machen sie sich auf den Weg nach Bordeaux, wo die erwachsene Chloé (Olivia Ruiz) lebt. Sie finden heraus, dass sie kurz vor der Hochzeit mit dem Ex-Tennisprofi Stephen (Jamie Bamber) steht und für die Zeremonie mit einem Casting nach einem Schauspieler sucht, der ihren Vater spielen könnte. Also ergreift Bernard seine Chance.
Väter und andere Katastrophen ist eine Komödie über Missverständnisse, unausgesprochene Wünsche und die Suche nach einem idealen Vater. Die Handlung bietet keine großen Überraschungen, verzichtet aber auch auf unnötige Verwicklungen und verzögernde Intrigen. Im Zentrum dieses Films steht die Sehnsucht nach einer idealen Familie. Chloé hatte eine Familie, aber ihr Vater hat sie immer wieder enttäuscht. Deshalb wünscht sie sich seit Kindesbeinen, dass ihr richtiger Vater auftaucht - Un jour mon père viendra lautet passenderweise auch der Originaltitel des Films. Ihr Verlobter Stephen hatte hingegen einen überehrgeizigen Vater, für den immer nur der Erfolg zählte. Auch er sehnt sich nach einer Vaterfigur, mit der er sich versteht. Daher hat Chloé nach dem Tod ihrer Mutter und dem Zerwürfnis mit Gustave für sich und ihren Verlobten einen Vater erfunden, der zwar abwesend ist, aber in idealer Weise ihren Vorstellungen entspricht.

Weder Bernard noch Gustave können Chloés Erwartungen standhalten. Sie sind zwei Männer mit Fehlern und Macken, die sicherlich mittlerweile einiges in ihrem Leben anders machen würden. Die Vergangenheit können sie nicht ändern, aber sie wollen die Chance nutzen, jetzt eine Verbindung zu Chloé herzustellen. Zugleich fürchten sie aber auch, ihren Erwartungen nicht standzuhalten. Mit Gérard Jugnot und Francois Berléand hat Regisseur Martin Valente (Fragile(s)) eine ideale Besetzung für die Rollen der Väter gefunden. Sie sind erfahrene Schauspieler, die ihre Charaktere mit Leben füllen und die konträren Eigenschaften mit Leichtigkeit verkörpern. Dadurch bleiben auch die Zweifel an der tatsächlichen Vaterschaft bestehen. Während Chloé zweifellos äußerlich Ähnlichkeit mit Gustave hat, ähneln ihre Verhaltensweisen aber Bernard.

Die größte Überraschung des Films ist indes Jambie Bamber in der Rolle des Bräutigams Stephen. Leicht hätte diese Rolle des Ex-Tennisprofis, dessen Leben deutliche Anleihen bei André Agassi nimmt, eine bloße Karikatur eines neureichen Amerikaners in Frankreich werden können. Aber Jambie Bamber spielt den gutaussehenden, charmanten und im besten Sinne netten Schwiegersohn in spe mit sehr viel Charme und ehrlicher Begeisterung. Dadurch sind Stephens Bemühungen, dem zukünftigen Schwiegervater zu gefallen, berührend komisch. Insgesamt bleibt daher die Besetzung der größte Pluspunkt dieser konventionellen, aber durchaus unterhaltsamen Komödie aus Frankreich.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/vaeter-und-andere-katastrophen