Marley (2012)

Hommage an eine Legende

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Marley ist eine 144-minütige dokumentarische Hommage an Bob Marley. Allerdings nicht an den Künstler, dessen Musik auch 31 Jahre nach seinem Tod noch jeder kennt und mitsingen kann, sondern an den Menschen Robert Nesta Marley, der sich hinter dieser Legende verbirgt.

Eigentlich ist es schon erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, bis dieses Erbe geborgen wurde. Die Erklärung liegt darin, dass die Hinterbliebenen Bob Marleys bisher jegliche Bemühungen in diese Richtung strikt unterbunden haben. Nachdem das Projekt anfänglich Martin Scorsese zugeschrieben wurde, hat sich letztendlich Kevin Macdonald darum gekümmert, eine detailliert recherchierte und ausführliche Dokumentation zu erstellen und sogar die bisher unwillige Familie dafür zu gewinnen. Mit schwierigen Großprojekten kennt der sich ja inzwischen bestens aus, war er doch schon letztes Jahr bei der Berlinale zu Besuch mit Life in a Day, einem Dokumentarfilm, bei dem YouTube-Nutzer aus der ganzen Welt Filmmaterial einreichen konnten.

Marley geht in seinem Bestreben, ein umfassendes Bild über das Leben Bob Marleys zu schaffen, ganz traditionell und chronologisch vor. Und schon zu Anfang gibt es erste Überraschungen, stellt sich doch heraus, dass die Geschichte seines absenten, weißen Vaters noch viel mehr Hintergründe und Umtriebe hat, als gedacht. Macdonald folgt Marleys Lebensweg nach Trench Town, einem Ghetto in Kingston, in dem der Junge als Mischling und damit als Außenseiter aufwächst. Neben seiner Liebe zur Musik, die sich früh entwickelt, wird auch ausführlich seine Religion Rastafari erklärt und bis in ihre Gründungsprinzipien zurück verfolgt. Macdonald leistet sehr gute Recherche und Vorbereitungsarbeit, die einem anfänglich ein wenig kleinlich vorkommen mag, die sich aber mit der Zeit als folgerichtig und wichtig erweist. Denn ohne dieses Hintergrundwissen erschließen sich viele Lebensentscheidungen und Einstellungen dieses außergewöhnlichen Mannes nicht - seien es die polyamourösen Beziehungen zu Frauen (immerhin 7 Frauen und 11 Kinder gehen auf sein Konto) oder seine Einstellung zu der Krankheit, die ihn im Alter von nur 36 Jahren das Leben kosten wird.

Das Bild von Bon Marley, das hier gezeichnet wird, ist ein vielschichtiges, das sich durch zahlreiche Erzählungen seiner Wegbegleiter langsam Schicht für Schicht aufbaut, die sich oftmals widersprechen und als das entlarven was Zeitzeugen für gewöhnlich sind: fehlbar. Und genau diese Fehlbarkeit tut dem Film unbestreitbar gut.

Trotz einer Laufzeit von knapp zweieinhalb Stunden fliegt die Zeit nur so davon, zu spannend ist der Mensch und seine Umtriebigkeit, sei es im musikalischen, sozialen oder politischen Bereich. Eines aber fehlt dem Film: Ein wenig mehr kritisches Nachhaken hätte bestimmt gut getan. Doch so etwas Jahrzehnte nach dem Tod des Künstlers zu bewerkstelligen, ist schwer. Denn der Mensch erinnert sich ja im Allgemeinen und auch in diesem ganz speziellen Falle viel lieber an die guten Dinge.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/marley-2012